Quelle : Bernhard Böhm


Krechowka

Die Mazurensiedlung Krechowka wurde in der Zeit von 1895 bis 1899 mitten in einem Waldbestand von den umliegenden Großgrundbesitzern angesiedelt. Der Wald bot nur Brennholz und wenig Nutzholz, zumeist Roterlen, Weißerlen und Birken. Von dem geringen Eichenbestand ließ sich nur wenig Nutzholz gewinnen.

Erst im Verlauf von Jahrzehnten konnte sich durch Rodung eine Landwirtschaft entwickeln, größere Betriebe gab es nicht. Nach Beendigung des 1.Weltkrieges und mit Entstehung des polnischen Staates verkauften viele Mazuren-Familien ihr erworbenes Hab und Gut und zogen in die Gegend von Ostpreußen und Posen. Diese Gelegenheit wurde von den Deutsch-Egerländern aus Machliniece, Nowe Siolo, Kontrowers und Kornelowka genutzt, um sich einen Heimatort zu sichern.

Es wurden die vorhandenen Häuser aufgekauft, andere Familien kauften sich nur Acker, um ein Wohngrundstück selbst bauen zu können. So geschah es, daß von 1920 - 1939 folgende Familien sich eine Existenz teils durch Landwirtschaft, teils durch Handwerk schufen und diese dann 1939/40 verlassen mußten.

Die Zahl der Deutschen in der Mazurensiedlung wuchs in zwei Jahrzehnten auf 15 Familien mit ungefähr 70 Personen an.

Brück Josef Brück Johann
Brück Marjan Beutel Josef
Daniel Johann Gottler Josef
Köstler Lorenz Kopera Maria
Laub Josef Mrosek Anton
Mrosek Stanislaus Raab Johann
Stark Josef Weidl Alois
Weidl Franz    

Da der Glaube fast für alle oberstes Gebot war, wurde auch eine Kirche gebaut. Zur Machliniecer Kirchengemeinde gehörten das reindeutsche Machliniece, das reindeutsche Kornelowka, das überwiegend deutsche Nowe Siolo, das reindeutsche Kontrowers, die deutsche Minderheit aus Izydorowka und das fast reindeutsche Drösseldorf. Kurz nach dem Ende des 1. Weltkrieges schloß sich die deutsche Minderheit aus Krechowka an.

Mit dem Bau einer Kirche konnte erst im Jahre 1860 begonnen werden, bis dahin wurde in den ersten Jahren der Gottesdienst bei schönem Wetter unter einer geschmückten Eiche abgehalten. Als eine Zwischenlösung wurde eine kleine Holzkapelle im Pfarrgarten gebaut, die bei besonderen Feierlichkeiten wie Kindtaufe, Hochzeiten u.ä. genutzt wurde. Nach Fertigstellung der Kirche wurde die Holzkapelle abgerissen und auf ihre Stelle kam ein eisernes Kreuz mit Holzummantelung, welches 1939/40 zurückgelassen werden mußte.

Für die Kirchengemeinschaft wurde ein gemeinschaftlicher Friedhof im Territorium von Machliniece angelegt, wo nur Deutsche mit Ausnahme einiger russischer Kriegsgefangener des 1. Weltkrieges beerdigt waren. Auch unser Friedhof legte ein beredtes Zeugnis der deutschen Siedler ab, gepflegte Gräber und in deutscher Sprache gehaltene Grabinschriften.

Obwohl den Auswanderern aus Böhmen und Mähren alle Glaubens- und Traditionsfreiheiten zugesagt waren, hat sich niemand um die Kirche oder die mit ihr verbundenen religiösen Einrichtungen gesorgt. Es gab keine deutschen Pfarrer, als dann nach einigen Jahren doch welche kamen, waren es oft solche, die in der alten Heimat versagt hatten oder aus anderen unerfreulichen Gründen die Heimat verlassen mußten. Oftmals führte das Fehlen der deutschen Gottesdienste in der neuen Heimat dazu, daß die Ansiedler als ein verwilderter und roher Haufen beurteilt wurden. Dadurch gerieten die ehrlichen Absichten dieser Siedler in Mißkredit. Im Glauben fanden die Siedler ein großes Zusammengehörigkeits- und Gemeinschaftsgefühl, welches ihnen oftmals in der schwersten Not Trost und Stärke war. Gleich in den ersten Jahren überraschte die Ansiedler eine Inflation mit dem Verlust aller Ersparnisse, das hatte die völlige Verarmung der meisten zur Folge. Die Inflation war noch nicht überwunden, da schloß sich 1832 und 1833 eine Mißernte an. Gleichzeitig fielen die Getreidepreise, jedoch hatte niemand Geld, um etwas zu kaufen. Das führte dazu, daß der Roggen oder Weizen, den man sich vom Mund abgespart hatte, auch noch billig hergeben mußte. Der Anfang war dadurch so hart, daß auf mancher Kolonistenwirtschaft in den allerersten Jahren sich zwei drei Siedler abwechselten. Sie mußten vor den Schwierigkeiten kapitulieren und sind weiter gewandert. Dies traf besonders für die Ansiedler von Kornelowka zu, sie suchten in der Fremde nach einem leichteren Anfang. So sind diese Siedlungen längere Zeit arm geblieben, die deutschen Kolonisten in Ostgalizien lebten dadurch fast autonom, um die sich der Staat kaum kümmerte. Die Schulen mußten aus eigener Initiative errichtet und von der Gemeinschaft finanziell getragen werden. Oftmals haben die alten Einwanderer die Zähne zusammengebissen und durchgehalten. Die "Alten" lagen nun schon längst im Grabe, als endlich nach 2 Generationen erträglichere Zeiten begannen. Es bestanden damals noch keine Krankenkassen oder Sozialversicherungen, so daß alles aus eigener Tasche bezahlt werden mußte, was oftmals sehr schwer und unerträglich war. Obwohl damals die medizinische Wissenschaft bei weitem noch nicht so weit fortgeschritten war wie heute, hätte man doch so manches Leben noch erhalten können. Bevor man einen Arzt holte, wurden erst einmal häusliche Mittel angewandt. Das waren Kräutertees und Packungen aus solchen. Halfen all diese Mittel nicht, erst dann wurde ein Arzt in Anspruch genommen, weil es in vielen Gemeinden keine Hausärzte gab. So gab es in Machliniece und den umliegenden Dörfern keinen Arzt. Ein Arzt mußte entweder aus der Bezirksstadt Zydaczow oder von dem kleinen Städtchen Zurawno gerufen werden. Die Abholung des Arztes erfolgte meist mit einem Pferdefuhrwerk, der Weg von Machliniece hin und zurück betrug 35 km. Das entsprach etwa einer Fahrzeit von fast 8 Stunden. Für kranke Personen, die kein Fuhrwerk besaßen, war es besonders schwer. Auf die finanzielle Lage der armen Bewohner wurde wenig Rücksicht genommen, so daß sich auch in dieser Hinsicht die ganze Härte ihres Daseins zeigte. Insbesondere traf das die älteren Bürger. Sie waren finanziell von ihren Kindern bzw. Verwandten abhängig; denn zur damaligen Zeit gab es weder Renten noch soziale Leistungen bei Krankheit und Not. Ansprüche auf eine Altersversorgung hatten nur Bedienstete des Staates, d. h. Armeeangehörige, Polizei, Lehrer, Pfarrer, Ärzte, Richter usw. All die anderen Bürger in den verschiedensten Berufen und Anstellungen hatten für ihr Alter selbst vorzusorgen. Selbst in der Industrie (egal ob Großunternehmer oder kleiner Betrieb) brauchte der Besitzer keine Pension oder Abfindung zu zahlen, auch wenn seine Angestellten ihr ganzes Leben in seiner Firma gearbeitet hatten. In der Landwirtschaft bei mittleren oder Kleinbetrieben wurde bei der Übergabe an Sohn oder Tochter ein Vorbehalt durch einen Notar im Vertrag festgelegt. Dazu ein Beispiel:

Hat der Sohn oder die Tochter eine Wirtschaft in der Größe von 15 bis 20 Joch Acker übernommen, so mußte eine jährliche Leistung an die Eltern wie folgt erbracht werden:

400 kg Roggen (Korez genannt)

200 kg Weizen

100 kg Hafer

1000 kg Kartoffeln

1 Joch Acker, den der Sohn bis zum Ableben seiner Eltern kostenlos bearbeiten mußte und

1 Kuh mußte jahraus und jahrein kostenlos gefüttert werden.

Den Gewinn dieser Kuh bekamen die Eltern. Obwohl Angehörige in der Landwirtschaft von Kindheit an schwer arbeiten mußten, so war ihr Lebensunterhalt auf die alten Tage gesichert.

Das genannte Beispiel trifft nicht überall zu; denn es gab auch viele kleinere Wirtschaften. Die gute Versorgung für ältere Bauersleute war von der Größe der Wirtschaft abhängig. Im besten Fall konnte ein erkrankter älterer Bürgen einen Arzt rufen lassen. Anders sah es bei älteren Bürgern aus, die ihr Leben lang in Fabriken oder als kleine Handwerker tätig waren; denn das Gnadenbrot von den Kindern, die selber in Not lebten, war meist sehr gering. Trotz all der Mühen und Plagen bereitete sich jeder auf das Alter vor, und im Familienkreis wurde stets geholfen. Die Zusammengehörigkeit, Hilfsbereitschaft und ein gemeinschaftliches Zusammenhalten waren die obersten Gebote bei den Siedlern. Das merkten die anderen Bevölkerungsgruppen wie Polen sehr rasch. Sie erkannten das starke Gemeinschaftsgefühl dieser Siedler, welches durch Ordnung, Sauberkeit, staatsbürgerliche Treue, fortschrittliche Denkart gekennzeichnet war. Diese Lebensart der Siedler machte auf die anderen Bevölkerungsgruppen einen starken Eindruck und wurde nicht vergessen. So wird der gute Name unserer Vorfahren stets erhalten bleiben, die Pionierarbeit in den Grenzwäldern der Karpaten und Sümpfe leisteten und viele handwerkliche Berufe zur Blüte brachten. All die eingewanderten Siedler standen ihren Mann. Der Blick war nach vorn gerichtet.