Quelle : Bernhard Böhm
Zur Kultur
Obwohl man die Deutschen in Galizien in geschlossenen Kolonien siedeln ließ, waren diese teilweise weit verstreut. Die Straßenverhältnisse waren sehr schlecht, es gab oft nur Feldwege. Autos oder Fahrräder gab es noch nicht. So brauchte man von Machliniece nach Nowe Siolo (4 km) 1 Stunde. Von Machliniece nach Drösseldorf (7 km) reichlich 1 1/2 Stunde. Von Machliniece nach Kornelowka (3 km) 45 Minuten. Von Izydorowka nach Drösseldorf (11 km) 2 1/2 Stunden. Es war oft schwer kulturelle Höhepunkte zu schaffen und zu erhalten.
Die deutschen Siedler wirkten so als Vorbild für die anderen Siedlergemeinschaften der Ukrainer und Polen. Doch die genannte verstreute Lage der Machliniecer Sprachinsel barg viele Schwierigkeiten in sich, die sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt vergrößerten. Das Bedürfnis nach Verbindungen von Kolonie zu Kolonie wuchs besonders unter der Jugend. Das Zentrum der damaligen Begegnung bildete die Kirche von Machliniece. Da kamen alt und jung mit ihren Kindern kilometerweit zum Gottesdienst, so entgingen sie für einige Stunden der drückenden Einsamkeit und tauschten Nachrichten und Neuigkeiten aus.
Auf anfängliche Enttäuschung bei den Siedlern sowie Unruhen folgte die Periode des Einwurzelns, des wirtschaftlichen Fußfassens und Erstarkens sowie der Ausbreitung von Tochtersiedlungen in unserer Gegend. Dazu wurde der günstigste Landerwerb von dem Großgrundbesitzer Nowe Siolo, des angrenzenden Großgrundbesitzers Czechow und dem Großgrundbesitzer von Izydorowka voll genutzt.
Trotz der vielen Probleme wie Inflation, schlechte Ernten, Krankheiten usw. war ein starker Bevölkerungszuwachs unter den Galiziendeutschen zu verzeichnen. Es gab fast nur kinderreiche Familien. Dadurch kam es im Zeitraum von 50 bis 60 Jahren im Gebiet Machliniece und Umgebung zur Überbevölkerung.
Im gesamten Kreisgebiet fehlte Industrie, das Handwerk war nicht ausgelastet, die bestehenden Bauernhöfe wollte man nicht aufteilen: So begann Ende des 19. Jahrhunderts eine allmähliche Auswanderung der Egerländer aus Machliniece und Umgebung. Gute Handwerker wurden von den umliegenden polnischen Großgrundbesitzern abgeworben. Davon ging ein Teil dem Deutschtum verloren. Ein kleiner Teil wählte die Flucht nach vorn, aus dem Österreichischen in die Kolonisation Rußlands. In den deutschen Siedlungen im Schwarzmeer-Gebiet fanden sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts auch einzelne Machliniecer Deutsche ein. Dort waren sie religiösen Anfeindungen ausgesetzt. Einige Familien ließen sich in Padclien und Wohlynian nieder, andere suchten in Österreich Zuflucht. Zu dem Zeitpunkt als das Siedeln im Osten immer schwieriger wurde, ergaben sich neue Möglichkeiten im fernen Westen.
Die Auswanderung nach Amerika unternahmen im 20. Jahrhundert viele egerländische Familien. Als die ersten Übersiedler in Amerika Erfolg hatten, sprach sich das schnell herum, und es setzte eine starke Auswanderung ein. Die Auswanderungswelle nach Amerika riß von da an nicht mehr ab, bloß der Strom der Übersiedler war unterschiedlich. Als Auswanderungsziel kamen später Kanada, Argentinien, Brasilien hinzu. Auch in Kanada kam es zur Gründung geschlossener Farmen von der Machliniecer Sprachinsel.
Die Egerländer suchten jedoch nicht nur Betätigung in der Landwirtschaft, sondern versuchten sich als Handwerker und in der Industrie. Die Auswanderung nach Übersee hatte nicht nur die Richtung, sondern den Charakter geändert, sie war zu einem Teil ein Zug in die Stadt geworden. Trotzdem hielten die Auswanderer die Verbindung mit der alten Heimat aufrecht. So zogen Verwandte und Freunde nach. Nicht wenige heirateten Frauen aus der alten Heimat. So kam es, daß fast jede Familie ihre bestimmten Auswanderungsziele in Amerika, Kanada, Argentinien und Brasilien hatte.
Die Auswanderung Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts war eine natürliche Erscheinung. Die hohe Geburtenzahl bei vergleichsweise niedriger Sterblichkeit, welche unsere Dörfer damals auszeichnete, brachte einen starken Bevölkerungsüberschuß hervor, der ohne Minderung des sozialen Standes, vor allem ohne Teilung der elterlichen Wirtschaft, untergebracht werden sollte. Eine genaue Zahl über die Auswanderer nach dem fernen Westen von 1900 bis 1914 gibt es nicht. Während der Kämpfe des 1. Weltkrieges wurde jegliche Auswanderung nach Übersee unterbunden. Da die Auswanderer in Amerika die Wirren des Ersten Weltkrieges nicht unmittelbar spürten, konnten sich viele eine finanzielle Grundlage schaffen. Sie holten nach Zusammenbruch der Donaumonarchie ihre Familien oder den Verwandtenkreis nach.
Das waren von Machliniece allein 42 männliche und 26 weibliche Bürger, welche die Ausreise nach Amerika, Kanada, Argentinien und Brasilien antraten. Oft wurden die Wirtschaften und Handwerksbetriebe der Wegziehenden von den Zurückbleibenden gekauft, so daß zwar die Ziffer der Einwohnerzahlen sank, das Dorf aber vor anderen Nationalitäten (Polen) bewahrt wurde. Das hatte zur Folge, daß sich der Lebensstandard verbesserte und die egerländischen Siedler ein menschenwürdigeres Leben führen konnten.