Quelle : Bernhard Böhm
Zur Arbeit der Richter (Gemeindevorsteher) von der Ansiedlung bis zur Auswanderung 1939/40
Da sich die Mehrzahl der Bevölkerung in Galizien aus slawischen Völkern und zu einem Teil aus Juden zusammensetzte, war es oft für den Ortsvorsteher doppelt schwer klare Verhältnisse zu schaffen. Die verschiedenen Nationalitäten mit sehr unterschiedlicher sozialer, konfessioneller und politischer Schichtung und Zielsetzung verfolgten unterschiedliche Interessen, die sich nicht nur ständig berührten, sondern auch konträr waren. Die Polen hatten niemals aufgehört, sich als die rechtmäßigen Herren Galiziens zu betrachten, obwohl sie nur im westlichen Teil Galiziens die Mehrzahl der Bewohner stellten, dagegen aber im östlichen Teil die Minderheit waren. Sie führten von Anfang an in Wort und Tat einen Zweifrontenkrieg. Ihr Ziel war die Loslösung von Österreich und die Gründung eines eigenen polnischen Staates, gleichzeitig kämpften sie aber gegen die Ukrainer, Juden und Deutschen im Lande. Ihr Bestreben war darauf gerichtet, aus diesen Völkern Polen zu machen und deren Wünsche nach freier nationaler Entfaltung und Mitbestimmung im Lande zu ersticken. Sie waren von ihrer Eigenstaatlichkeit über Jahrhunderte hinweg so fest überzeugt, daß auch sie gegenwärtig glaubten ihr Nationalitätenproblem auf diese Weise lösen zu können. Die anderen Völker wehrten sich jedoch gegen diese Politik, und so begannen politische Reibereien und Auseinandersetzung im Lande, die für alle Beteiligten von Nachteil waren. Diese Politik machte den Egerländern besonders zu schaffen, da sie sich nach wirtschaftlichem Aufschwung sehnten und die Feindseligkeiten unter den einzelnen Bevölkerungsgruppen ablehnten. Es hatte jedes Dorf einen gewählten Richter (Gemeindevorsteher), einen Verbindungsmann zu der Bezirkshauptmannschaft, der alle Rechte und Belange für seine Einwohner verteidigen mußte. Für die Egerländer im Machliniecer Kirchspiel war es besonders wichtig, ihre Muttersprache in Kirche und Schule beibehalten zu können und der Vermischung der Sprachkulturen Widerstand zu leisten. Dieser Kampf ist ihnen bis 1939 an der Spitze des jeweiligen Richters gelungen. Es waren alles gute Landwirte, die das Vertrauen ihrer Siedler hatten.

Erster Richter war der Bauer Johann Stich, er bewirtschaftete das Grundstück Nr. 47 und nach ihm sein Sohn Leopold Stich und der Enkelsohn Adalbert Stich.
Sein Nachfolger als Richter wurde Michael Menzel, er war ebenfalls Bauer und hatte die Wirtschaft Nr. 31, sein Sohn Josef und der Enkelsohn Michael Menzel führten die Wirtschaft bis 1939 weiter.
Lorenz Persak war der nächste Richter, der ebenfalls Bauer war und die Siedlung Nr. 44 besaß. Sein Sohn Franz Persak führte diese bis 1939 weiter. Der Richter Persak wurde 1903 aus Gesundheits- und Altersgründen in seiner Funktion von Christoph Weiß abgelöst. Er war auch Bauer und besaß die Siedlung Nr. 1, später dann wurde diese seinem Neffen Josef Peternek übertragen.
Nach Aussagen älterer Bürger aus Machliniece soll noch vor Johann Stich ein gewisser Anton Weidl (Mockobel Toni genannt) Richter in Machliniece gewesen sein, jedoch gibt es darüber keine genauen Unterlagen. Nachkommen waren Franz Hörl, Machliniece, Franz und Ignatz Weidl aus Kontrowers und Josef und Hubert Weidl aus Nowe Siolo. Herr Weiß, Christoph, führte durch seine Amtszeit einen politischen Kampf zwischen Deutschen und Polen, es entstand in Wort und Tat ein Zweifrontenkrieg. Wichtig war für ihn stets der Wunsch nach deutschen Lehrern und Priestern für Schule und Kirche. Bis zum Amtsantritt von Herrn Weiß gab es nur Priester mit mangelhaften Deutschkenntnissen im Ort. Das änderte sich schon ein Jahr nach seinem Amtsantritt. In die Machliniecer Pfarrgemeinde kam 1905 der Pfarrer Berhard Klein als ständiger Hirte.
Endlich hatte die Gemeinde einen Seelsorger nach ihrem Wunsch. Der Priester war eine stattliche Erscheinung, redete in gepflegtem deutsch und war der Gemeinde Berater und Helfer. So erfüllten sich zunächst die Hoffnungen der Gläubigen. Machliniece war die einzige deutsch-katholische Gemeinde, die das Glück hatte, einen deutschen Pfarrer zu besitzen. Mir Pfarrer Klein und Richter Weiß an der Spitze schien der Gemeinde eine hoffnungsvolle Zukunft beschieden. Pfarrer Klein beschäftigte sich nicht nur religiös-kulturell, sondern widmete sich auch der völkischen und wirtschaftlichen Tätigkeit. Selber sehr musikalisch, spielte er einige Instrumente, gründete und leitete ein 23 Mann starkes Orchester, das schon nach 7 Monaten Probe sein Können präsentierte. Herr Klein sah auf strenge Zucht und hielt Anstandslehrstunden ab. Da die aus dem Egerland mitgebrachte Tracht der Frauen - bestehend aus einigen übereinander getragenen Faltenröcken, Leibchen, Bajga genannt, buntschimmernden Taftschürzen, Hals- und der goldglitzernden Haube - schwer zu ersetzen war, entwarf er im Zusammenwirken mit dem Machliniecer Schneidermeister Weiß eine neue praktische Frauen- und Mädchentracht.
Auf dem Friedhof der Machliniecer Sprachinsel, der auf dem Territorium Machliniece lag, wurden die meisten Holzkreuze durch Steinmale ersetzt. Pfarrer Klein war auf vielen Gebieten Vorbild. Als im Jahre 1909 in der Machliniecer Schule die Stelle eines Lehrers vakant wurde, sprang er selber ein und unterrichtete, bis die Stelle nach einigen Monaten durch die gut deutsch sprechende Lehrerin Maria Werschler besetzt wurde, welche bis zur Umsiedlung in Machliniece wirkte. Zur Finanzierung der Landwirtschaft gründeten Pfarrer Klein und Herr Weiß in Machliniece eine Raiffeisenkasse für alle Bewohner der Machliniecer Sprachinsel. Das geschah im Zusammenhang mit dem Verkauf von Schlachtvieh nach Wien, was der deutsch-evangelische Gutsbesitzer Seelieb von Nowe Siolo organisierte. Das brachte Wohlstand für diese deutschen Landwirte, und sie wurden vor der Ausbeutung durch Zinswucher bewahrt. Trotz alledem, was Pfarrer Klein für seine Gemeinde leistete, blieb er doch heimlich ein polnischer Nationalist. Er war der Sohn eines deutschen Vaters und einer polnischen Mutter. Erst nach einer vierjährigen Amtszeit versuchte er, die Katholiken der jungen Mazurensiedlung Krachoska in die deutsche Pfarrei Machliniece einzugliedern.
Es gab ein Gerücht, daß diese Eingliederung unmittelbar bevorstehe, doch es wurde nicht ernst genommen, weil die Katholiken der Masurensiedlung Krechowka zu der polnischen Pfarrei Sokolow gehörten. Aber trotzdem versuchten die kirchlichen und weltlichen Behörden die polnische Sprache in unserem Gebiet einzuführen, wobei sie diese Veränderung wider den Willen der Kirchenleitung von Machliniece durchsetzten. Pfarrer Klein sollte zum Prüfstein und zum Fallstrick werden. Was Pfarrer Klein zu dieser grundlegenden Änderung seiner Meinung bewog, das kann nur angenommen werden. Sicherlich blieben seine geistlichen polnischen Brüder von Kochawina und andere Geistliche nicht ohne Einfluß auf ihn. Auch weckte seine Tätigkeit und der Erfolg in der deutschen Gemeinde den Neid und den Unmut vieler polnischer Nationalisten, die ihn bei weltlichen und kirchlichen Behörden anschwärzten und verleumdeten. Daraufhin wurde Pfarrer Klein durch den Erzbischof nach seiner sechsjährigen Tätigkeit von Machliniece im August 1911 zu einer polnischen Gemeinde (nach Burakowka) in die Nähe der russischen Grenze versetzt. Nach dem Weggang von Pfarrer Klein wurde die Kirchengemeinde von einem Salesianer-Pater aus Daszawa betreut. Dieser Pater betreute unsere Gemeinde nur kurze Zeit. Ihm folgte ein neuernannter Pfarrer Namens Anton Schwarz, er war deutscher Abstammung.
Pfarrer Schwarz betreute die Gemeinde als Seelsorger bis zum Jahre 1921.
Ihm folgte Pfarrer Ladislaus Krzystyniak, polnischer Abstammung. Er beherrschte die deutsche Sprache kaum, und es fiel ihm sehr schwer, deutsch zu predigen. Er war zwar nicht deutschfeindlich, aber die schlechte Beherrschung der deutschen Sprache veranlaßte ihn, sich 1926 in eine polnische Pfarrgemeinde versetzen zu lassen. Der nächste Priester der Pfarrei in Machliniece war der Pfarrer Dubianowski. Er war polnischer Abstammung, aber sprach fließend deutsch und schien ein nationalbewußter Pole zu sein. In seinen Predigten versuchte er, bei seiner Gemeinde Vorgänge aus der Geschichte des deutschen Volkes abfällig zu kritisieren und die polnische Geschichte in übertriebener Weise zu verherrlichen. Er fand keinen rechten Kontakt zu seiner Gemeinde und stand überall abseits. Einladungen zu Familienfeiern wurden von ihm meistens zurückgewiesen. Nach vierjähriger Amtszeit wurde er versetzt und ihm folgte Pfarrer Teichmann, deutscher Abstammung. Mit Pfarrer Teichmann bahnte sich eine neue Entwicklung an, die zu gewissen Hoffnungen berechtigte, aber auch er wurde bald versetzt. Als letzter Seelsorger der Pfarrei war Pfarrer Dürbusch im Amt, er betreute die Gemeinde bis zum Ausbruch des Krieges 1939.
Zur weiteren Tätigkeit der Richter (Gemeindevorsteher) vom Jahre 1904 bis 1939/40
Herr Christoph Weiß hatte sich als Gemeindevorsteher in den Jahren von 1904 - 1921 für die Belange der Deutschen seiner Sprachinsel, besonders aber für die seines Dorfes, eingesetzt. Sein Anliegen war, den Erhalt der deutschen Sprache in den Schulen und der Kirche durchzusetzen. Sein Wunsch war der Bau einer Bundesschule im Jahre 1912/13 für die Deutschen aus der reindeutschen Tochtersiedlung Kontrovers und der deutschen Minderheit aus dem Dorf Izydorowka. Alle waren Egerländer und gehörten zur Machliniecer Kirchengemeinde. Im gleichen Jahr wurde Christoph Weiß in den Vorstand des Verbandes Deutscher Landwirtschaftlicher Genossenschaften und im November des gleichen Jahres zum Obmann des Gaues Machliniece des Bundes der Christlichen Deutschen in Galizien gewählt. Besonders schwer war seine Amtszeit während des 1. Weltkrieges von 1914 - 1918. Durch die russischen Invasionen hatte er manches Harte zu ertragen. Die Liquidationen durch die Russen wollten kein Ende nehmen. So manchem Bauern wurde das letzte Stück Vieh aus dem Stall genommen.
Der Zusammenbruch der Donaumonarchie 1918, die polnisch-ukrainischen Auseinandersetzungen, welche mit dem Sieg der Polen und der Eingliederung Galiziens in das neu erstandene polnische Reich endete, brachte für das Deutschtum in Galizien völlig neue und schwierige Verhältnisse. Der verschlechterte Gesundheitszustand von Christoph Weiß veranlaßte ihn, die Geschicke der Gemeinde in jüngere Hände zu legen. So ging aus der Wahl 1921 Adalbert Köstler als sein Nachfolger hervor. Doch blieb Weiß nach wie vor die Schlüsselfigur und die treibende Kraft im Gemeindeleben. Auch für Adalbert Köstler wurde die Aufgabe als Gemeindevorsteher sehr schwierig und umfangreich. Viele Wirtschaften lagen durch die Folgen des Krieges völlig am Boden. Es mußte in einer Form von Zusammenarbeit geholfen werden. Der Kampf um die deutsche Sprache in Schulen und Kirche wurde in dem gegründeten polnischen Staat nicht leichter. Adalbert Köstler legte sein Amt als Gemeindevorsteher nach 5 Jahren nieder. Durch Neuwahl wurde als nächster Gemeindevorsteher Herr Leopold Schneider gewählt. Schneider hat versucht, seine Tätigkeit als Gemeindevorsteher zum Wohle seiner Machliniecer auszuüben und hatte sein Amt bis zur Auswanderung 1939/40 inne.