Quelle : Bernhard Böhm
Zur Inneneinrichtung über Heizung und Beleuchtung
Die Öfen zum Heizen und Kochen waren bei uns in der egerländischen Sprachinsel alle einheitlich, wahrscheinlich nach dem Muster aus Böhmen und Mähren. Die Kochherde in der Küche, im danebenliegenden Stübl sowie im Zimmer waren aus hartgebrannten Mauersteinen, verbunden mit einem gemauerten Heizofen, gesetzt. Wenn die Mauersteine erhitzt waren, gaben sie eine unwahrscheinliche Hitze ab. Geheizt wurde überall mit Holz. Holz war für uns alle der billigste Brennstoff, weil genügend herrschaftlicher Wald vorhanden war. Das Holz wurde hauptsächlich in den Wintermonaten angefahren, dabei wartete man mit Sehnsucht auf den ersten Schnee, um den Schlitten benutzen zu können. Der Schlitten war am Fuße der Karpaten das beste Verkehrsmittel, denn die Wege waren für Ackerwagen nicht passierbar. Das Brennholz wurde daher sehr billig verkauft. Es bleibt ein unvergeßlicher Anblick, wenn bei 15 bis 25 Grad Kälte den Bauern der Schnurrbart oftmals zu Eisklumpen gefroren war. Oder es passierte oft, daß man 8 bis 10 Stunden unterwegs war und das mitgebrachte Frühstück hart gefroren war. Möglichkeiten in einer Gaststätte unterwegs etwas Warmes zu essen oder zu trinken, gab es in den meisten Fällen nicht. Die Feld- und Waldwege verliefen meistens außerhalb von Ortschaften. Doch zu Hause wärmte man sich dann mit warmen Getränken auf. Natürlich war man oft mit dem Schlitten unterwegs. Eine Bauerwirtschaft mittlerer Größe, wo Kartoffeln für Schweinefutter das ganze Jahr hindurch gekocht werden mußte, außerdem verbrannte man bei anhaltend kaltem Wetter im Jahr zwischen 15 bis 20 m3 Holz, verbrauchte sehr viel Holz. Das mußte gefahren werden. Außer für den eigenen Bedarf wurden auch Bauholz u. a. Holzmaterialien gefahren. Dazu kamen noch die vielen Handwerksbetriebe und deren Familien für die ebenfalls Holz transportiert wurde. So war im Winter das Schlittenfahren eine häufige Tätigkeit.
Der Kochherd in der Küche war so gebaut, daß sich hinter ihm der Backofen anschloß. Ein Backofen war in jedem Haushalt vorhanden, da es in den ländlichen Gemeinden keinen Bäcker gab. Brot wurde von der Hausfrau selbst gebacken. Jeder Haushalt besaß einen großen Bottig, in dem der Teig angesäuert wurde - eine Teigmolle -, und die nötigen Brotschüsseln. Je nach Größe der Familien wurde wöchentlich gebacken. Für das frisch gebackene Brot gab es Regale, die sich meistens im Fruchtspeicher oder einer anderen Kammer befanden und in den Sommermonaten vor Hitze und in den Wintermonaten vor Kälte geschützt waren. Es wurden überall Rundbrote mit einem Gewicht von 5 bis 7 Pfund gebacken.
Die Beleuchtung bestand nur aus Petroleumlampen. Diese Lampen gab es in vielen Variationen als Wand-, Hänge-, Tischlampen und als kleine und große Laternen je nach Bedarf. Das Petroleum wurde meistens in großen Mengen gekauft und in Steinkruken transportiert. Der Transport erfolgte meistens in den Wintermonaten mit dem Schlitten, da war man gewiß, daß das Steingut nicht platzen konnte. Die Preise für Petroleum waren erträglich. Selbst die Beleuchtung in Schulen, Wirtshäusern, Verkaufsstellen, Kindergärten, Kirchen, öffentlichen Gebäuden, bei Handwerksbetrieben war die gleiche. Straßenbeleuchtung mit Petroleum war nicht vorhanden, da mußten es die Sterne und der Mond tun. Das hatte oftmals seine Vor- und Nachteile. Unangenehm wurde es, wenn nachts Unwetter oder Brände waren und man mußte sich bei Dunkelheit helfen. Vorteile ergaben sich öfters für Burschen, wenn sie ihren geplanten Schabernack durchführen wollten, oder für die jungen Pärchen, welche nicht von jedem gesehen werden wollten, oder für solche Bürger, welche ihren Lebensunterhalt nur bei Dunkelheit bestritten. Es sei noch erwähnt, daß die umliegenden Städte unserer Gegend alle im Besitz einer Stadtbeleuchtung waren. Sie wurde mit Erdgas oder Elektroenergie betrieben. Gebaut wurde die Stadtbeleuchtung in den 20er bis Ende der 30er Jahre. Es muß noch betont werden, daß für Machliniece und die umliegenden Dörfer eine Straßenbeleuchtung durch Erdgas geplant war, doch der Raubzug von Hitler machte alle Pläne zunichte.
Besonders sei an das Pferdeweiden erinnert
Im Spätsommer, wenn der Stoppelklee aus den Stoppeln herauswuchs, wurden diese Felder als Hutweide für die Pferde genutzt. Die Nutzung begann Ende August und dauerte bis in den Monat Oktober. Früh vor Tagesanbruch trieb man die Pferde auf die Weide und ließ sie grasen. Nach ein bis zwei Stunden hatten sich die Tiere sattgefressen. Diese Zeit wurde zum Pilzesuchen im nahe gelegenen Wald genutzt oder man ging barfuß durch den Tau. Abends wiederholte sich nach getaner Arbeit das Weiden der Pferde. Nur hatte der Pferdehirt jetzt etwas mehr Zeit. Die nutzte er mit Sammeln von Reisig, entfachte ein großes Lagerfeuer und röstete darin Äpfel und Kartoffeln. Den Duft der gerösteten Sachen trug der Wind oft weit über das Land. Der Monat August war nicht nur der Monat, welcher an das Pferdehüten oder an das Pilze sammeln erinnerte, sondern es blieben noch andere Erinnerungen unvergeßlich. Es waren die Zeiten in denen der Wind über die abgeernteten Stoppelfelder strich und Scharen von Rabenvögeln beim Pflügen hin- und herhüpften und gierig nach dem aufgeackerten Gewürm pickten. Hunderte von Rabenvögeln leisteten uns am Tag bei der Arbeit Gesellschaft
Auch um Tod und Begräbnis rankten sich Bräuche, die aus dem Egerland übernommen waren
War jemand ernsthaft erkrankt, so versuchten ihm die Besucher der Dorfgemeinschaft sein Leiden erträglich zu machen. Hatte sein Herz aufgehört zu schlagen, so öffnete man ein Fenster, damit seine Seele zu ihrer Bestimmung entweichen konnte. Das Pendel der Uhr an der Wand wurde angehalten, und sie mußte mit dem Toten schweigen. Der Spiegel an der Wand wurde verhängt, denn man glaubte die Seele des Verstorbenen könnte körperlich erscheinen und sollte sich nicht mehr spiegeln können. Nachdem die Leiche gewaschen war, wurde sie im Hause aufgebahrt. Anschließend wurde der Dorfgemeinschaft durch Läuten der Glocke der Tod mitgeteilt. Handelte es sich um ein Kind, so wurde einmal geleutet, bei einem Erwachsenen wurde das Leuten zweimal unterbrochen. Nacht für Nacht hielten Verwandte und Bekannte an der Bahre Totenwache. Viele Dorfbewohner kamen, um im Trauerhaus am letzten Lager des Heimgegangenen ein stilles Gebet zu verrichten und den Leidtragenden Trost zu sprechen. Der Tote lag frei auf der Bahre und wurde erst 2 bis 3 Stunden vor der Beerdigung eingesargt. Am Beerdigungstag, nach vereinbarter Zeit, kam der Pfarrer ins Haus und sprach die üblichen Gebete. Von den sechs Trägern, welche aus der Verwandtschaft kamen, holten die beiden kräftigsten den Sarg aus dem Haus. Sie machten Kreuzzeichen über Sarg, Bank, Schwelle der Stubentür und Haustür. Die Kerzen, die neben dem Sarg standen, wurden ausgelöscht und umgelegt und der Rest des Weihwassers kreuzweise darüber gegossen. Trug man den Toten aus dem Hause, so trieb man das Vieh im Stalle auf. Diese Tradition verschwand noch vor Ausbruch des 1. Weltkrieges. Handelte es sich bei dem Toten um einen Mann oder eine Frau, wurden ein Kreuz und zwei schwarze Trauerfahnen von Männern aus der Verwandtschaft mitgetragen. Starb ein Bursche oder ein Mädchen, so wurde dem Burschen ein Myrtenstrauß im Sarg angesteckt, das Mädchen wurde als Braut gekleidet. Wurde ein Bursche oder ein Mädchen zu Grabe getragen, so waren es 6 Burschen, welche den Sarg trugen, und 6 Mädchen gingen Kerzen tragend nebenher. Beim Begräbnis junger Menschen trug man weiße Fahnen. Ganz früher war es Brauch, nach der Beerdigung das Leichenbier im Wirtshaus zu trinken, doch dieser Brauch ist durch die Einwirkung der Missionen verdrängt worden.
Da in der Machliniecer Sprachinsel nur kirchliche Beerdigungen stattfanden, war die Teilnahme der ganzen Gemeinde vorhanden, das ergab einen besonderen Zusammenhalt. Es war egal, aus welchen Verhältnissen der Tote stammte (ob arm oder reich). Die Ehre als Toter wurde ihm von allen erwiesen. Dazu wurden die Beerdigungen mit ihren langen Trauerzügen vom Haus zur Kirche und dann zum Friedhof mit öffentlichem Gebet und Trauergesang geführt. In Machliniec wurde der Sarg mit dem Toten auf einer Bahre getragen, in den anderen Dörfern der Pfarrei wurde der Sarg mit einem Pferdegespann transportiert. Die Trauerteilnehmer legten die Strecke zu Fuß zurück. Es waren immer etliche Kilometer, die in Anbetracht der Zusammengehörigkeit in Kauf genommen wurden. Das zeigte stets den Zusammenhalt der Siedlergemeinschaften. Außerdem war bei verstorbenen Familienangehörigen mindestens ein Jahr Trauer Pflicht, wo jegliche Tanzvergnügen u. a. Belustigungen verboten waren. Sogar Hochzeitsfeiern wurden während dieser Zeit in der Familie unterbunden.
Hier einige Bemerkungen zum Aberglauben,
übernommen aus dem Egerland und bewahrt in unserer Gemeinschaft
Man freute sich schon im Monat März (Josefi 19. März) auf die Wiederkehr der Störche, wenn sie ihre Nester vom Vorjahr bezogen. Man versuchte den Storch nur im Fluge zu sehen, denn das sollte bedeuten, es folgt ein arbeitsfrohes, also erfolgreiches Jahr. Da die Störche nur auf einzelnen Dächern im Dorfe nisteten, meistens Scheunendächer, hieß es, das Gehöft sei vor allem geschützt vor Blitzschlag, Feuersbrunst und Seuchen. Oder wenn die Schwalben im Frühjahr Einzug hielten, wurden nach dem ersten Erblicken der Schwalben das Gesicht und die Hände mit kaltem Wasser gewaschen, um die Haut vor jeglichen Hautkrankheiten zu schützen. Auch bei kleinen Kindern tat man dies. Oder wenn sich der Kuckuck im grünen Frühjahr mit seinem Ruf meldete, hieß es, wenn man mit ein paar Kreitzer (Pfennige) in der Tasche klimpert, bedeutete das, für das ganze Jahr keine Not an Geld zu haben. Die Mädchen im heiratsfähigen Alter werteten den Kuckuck mit seinem Ruf als Wahrsager. Für die eine brachte er Freude im Laufe des Jahres, für die andere bittere Tränen, weil der ruffreudige Kuckuck noch längere Zeit vom Jungferndasein kündete. Oder manches Mädel eilte am Ostersonntag vor Sonnenaufgang zum Wasser, ganz gleich ob zum Bach oder zur Holzwanne im Hof, sie wollte im Wasserspiegel ihren Zukünftigen sehen. Es wurde sogar von einigen das Gerücht verbreitet, sie hat ihn gesehen. Zum besonderen Verhängnis wurde der Aberglaube, wenn es um einen Teil Spukgeschichten ging. So, wenn früh beim Herausfahren zur Arbeit eine Katze über die Straße lief, sollte man am ganzen Tag kein Glück haben. Oder wenn der Bauer am frühen Morgen zur Stadt zum Handeln fuhr und ihm begegnete als erstes eine Frau, so brachte das Unglück. Da Hunde beim Heulen verschiedene Haltungen einnehmen, wurde gefolgert: Hält der Hund beim Heulen die Schnauze nach unten, wird in der Familie jemand sterben, hält er die Schnauze nach vorn, da freuten sich die Mädels, wenn welche im Hause waren, es kommt ein Verehrer. Oder wenn einem am frühen Morgen beim Beginn der Arbeit ein Jude begegnete, hieß es, der ganze Tag bringt Glück (wahrscheinlich weil der Jude gern handelte und auch betrog). Begegnete einem bei Arbeitsbeginn ein Schornsteinfeger, da hieß es, eine freudige Nachricht trifft tagsüber ein. Hatte eine Eule in einer ruhigen Nacht bei Mondschein gerufen, hieß es unwillkürlich, es stirbt jemand aus dem Hause. Wenn der Hahn in den Sommermonaten bei schönem Wetter dreimal im Hof krähte, hieß es, schlechte Witterung kommt. Es wurde mit verschiedenen Arbeiten vorgebeugt. Putzte sich die Katze am Hofe, so wurde aus der Putzrichtung Besuch erwartet. Gelang es dem Bauern am 1. April seinen Knecht oder die Magd zu hänseln, d. h. zum Nachbarn oder zu anderen Verwandten zu schicken und etwas abholen zu lassen, was es gar nicht gab, und wurde der Abholende daraufhin vielleicht noch mit Ruß oder Schuhkrem bemalt, dann rühmte sich der Bauer, er sei seinen Dienstboten im Wissen für das ganze Jahr überlegen. Besondere Auswirkungen hatte der Aberglaube bei Krankheiten. Es gab in jedem Dorf unserer Sprachinsel einzelne Frauen (Basl genannt), welche versuchten, durch Besprechungen kranken Menschen zu helfen. Die Besprechungen wurden in verschiedenen Arten durchgeführt. Bei der einen Krankheit wurde ein weißes Betttuch als Umhang benutzt und ein Sprüchlein dazu vorgetragen. Bei einer anderen Krankheit hatte sich die Basl schwarz gekleidet und ebenfalls ein Sprüchlein vorgetragen. Oder der Erkrankte wurde mit geweihtem Wasser bestrichen und ein Sprüchlein dazu gesprochen. Aber zu jeder Besprechung wurde von vornherein gesagt, der Besprochene muß daran glauben, sonst hilft das Besprechen nicht. Und da es in den meisten Fällen nicht geholfen hat, war nicht die Basl schuld, sondern der Besprochene, weil er nicht genügend daran geglaubt hat. Außerdem hatte die genannte Basl eine ganze Sammlung von Sprüchen, die sie geheim hielt. Diese Sprüche wurden von Generation zu Generation vererbt, und bei Verrat der Sprüche hätten sie keine Wirkung mehr. Die Menschen der damaligen Zeit hatten kein Radio und keine Zeitungen, sie hatten ihren Aberglauben. Der war in den einzelnen Familien tief verwurzelt und ist bis in die heutige Zeit erhalten geblieben.
Mit dieser Zusammenfassung habe ich versucht, das Entstehen unserer Heimat - der Machliniecer Sprachinsel - zu beschreiben. Dabei habe ich mich auf alte Unterlagen und Erzählungen meiner Vorfahren sowie meine eigenen Erinnerungen gestützt.
Besonders hervorheben möchte ich, warum uns Auswanderern das Wort Heimat so sehr in Erinnerung bleibt: Das ist das Elternhaus, welches beim Erbauen sehr viel Arbeit und Schweiß gekostet hat. Die schön gepflegten Haus- und Blumengärten, die Gebäude, egal wem sie gehörten. Die Dörfer in ihrer Gesamtanlage mit Sauberkeit und Ordnung, die Wiesen, welche zum Teil vom Frühjahr bis in den späten Sommer hinein ein Blumenmeer waren.
Besonders erwähnenswert sind die großen Wiesenflächen (Tausende von Joch) am Fluß Dnjestr östlich der Machliniecer Sprachinsel. Sie bildeten Jahr für Jahr ein wunderschönes Blumenmeer. Selbst an den gepflegten Hausgründen und Feldern wurde deutscher Fleiß sichtbar. Rings um unsere Sprachinsel lagen herrliche Waldungen (vorwiegend Laubwald) und bildeten einen Schutzwall. Da gab des Bäche, in denen Krebs- und Fischfang betrieben wurde und den Sommer über zum Bade einluden. Wasserreich waren die Ortschaften Machliniec, Kontrowers und Nowe Siolo.
Zum Begriff Heimat zählen vor allem die Menschen, die eigenen Vorfahren, Verwandten und Eltern, Freunde und Bekannten. Dazu gehören auch Völker anderer Nationalitäten wie Ukrainer, Polen und Juden, unter denen wir gelebt und manchen guten Freund hatten, denn nicht alle waren nationalistisch gesinnt.
Zum Andenken an die Heimat gehört nicht nur das Sichverstehen im Familienkreis, sondern auch das Sonnenwetter und die schwere Hand des Vaters und der Mutter.
Zur Erinnerung an die Heimat gehört auch die schwere Arbeit vom frühen Morgen bis in die späte Nacht hinein, aber auch der sonntägliche Kirchgang. Besonders schön war es an Festtagen wie Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Frohnleichnamstag, wenn die Prozession durch die Straßen von Machliniece zog oder zu den vielen Wallfahrtsprozessionen nach Kochawina. Da waren die vielen Bräuche und Sitten, die altmachliniecer Rätsel, Schwänke, Märchen und Sagen und nicht zuletzt die schönen Volkslieder, welche über hundert Jahre hindurch gesungen und in Ehren gehalten wurden, die mich mit dem Wort Heimat verbinden.
Zur Heimat gehört auch das Gedeihen der Kinder; denn es gab fast nur kinderreiche Familien. Die schönen Trachten der Jugendlichen mit ihrer strotzenden Gesundheit sind unvergeßlich.
Zur heimatlichen Erinnerung gehören auch die liebevoll gepflegten Blumen im Fenster und Garten, der Stolz der Frauen und Mädchen. Die Bäume brechend voll mit Obst, die in Gärten und an den Hauptstraßen der Machliniecer Sprachinsel standen. An der Straße am Zaun standen meistens Kirschbäume oder Zwetschkenbäume, dahinter viele Sorten Birnen- und Apfelbäume. Die Bepflanzung gab es vorwiegend in den Orten Machliniece und Kornelowka. Da sich der Boden für den Obstanbau sehr gut eignete, waren 30 bis 50 Obstbäume in einem Garten keine Seltenheit, dazu die schneeweiß getünchten Häuser und Wirtschaftsgebäude sowie das glattgepflegte Simmenthaler Vieh. Die Simmenthaler Zuchtrasse wurde bei uns groß geschrieben vor allem die Jungbullenzucht war bekannt. Die Jungtiere wurden weit über die Bezirksgrenze hinaus verkauft. Ebenfalls nahm die Remontenzucht in Machliniec und Kornelowka ihren Anfang. Die Remonten wurden an das jeweilige Militär geliefert und brachten sehr hohe Einnahmen.
Zur Erinnerung an die Heimat gehören nicht nur Sitten und Bräuche, sondern auch die extremen Witterungsbedingungen. Da unsere Heimat an der Karpatenebene lag, kam es nicht selten vor, daß im Frühjahr die Schneeschmelze unwahrscheinliche Überschwemmungen mit riesigen Eisschollen brachte. Oft wurden Wohnhäuser an Flüssen weggespült, Brücken zerstört und unpassierbar dadurch. Durch solche Katastrophen entstanden Straßensperrungen für Monate oder sogar Jahre. Die aufgeschotterten Straßen wurden dabei regelmäßig zerstört und mußten oft an anderen Stellen neu gebaut werden. Wenn in den Sommermonaten ein Gewitter in unserer wald- und wasserreichen Gegend tobte, war es keine Seltenheit, daß es 2 bis 3 Tage andauerte. Oder es gab wolkenbruchartige Hagel- und Regenschauer, die auf gemähtes Gras in unseren Wiesen niedergingen, so daß das Hochwasser alles fort spülte. Reifes Getreide wuchs dabei oftmals aus. Wie oft setzten die Herbststürme mit Frost vorzeitig ein und Rüben und Kohlrüben erfroren. Dann gab es Schneeverwehungen, welche gebietsweise haushohe Schneemassen zusammentrieben. Und nicht zuletzt die schneidende Kälte, welche viele Wochen anhielt.
Zur Erinnerung an die Heimat gehört auch die einträchtige Zusammenarbeit bei uns Egerländern. Wurde bei Blitzschlag oder sonstiger Feuersbrunst ein Gebäude oder ein ganzes Gehöft niedergebrannt, so stand das ganze Dorf zusammen, um dem Betroffenen zu helfen. Oder bei dem Bau der deutschen Bundesschule in Kontrowers und Drösseldorf, des deutschen Hauses in Kornelowka und in Nowe Siolo oder der Molkereigenossenschaft in Machliniece haben alle geholfen. Leider begann 10 Jahre nach der Fertigstellung der Molkereigenossenschaft der 2. Weltkrieg und all die schwere Arbeit war umsonst. In Erinnerung bleibt das selbstlose und aufopferungsvolle Wirken der Obleute des VdK, der Wanderlehrer, die durch ihren Einsatz immer auf die Jugend Einfluß nahmen, um der Verpolnisierung Widerstand zu leisten, und das ehrenamtlich oder für geringes Geld taten. Die Schule und das Wirtshaus, die Kirche und der Friedhof bleibt bei vielen Egerländern in Erinnerung.
Die schön gepflegten Gräber und die schön beschrifteten Grabmale mit deutscher Schrift, vor allem auch die Sprache der Heimat in meinem Falle, die egerländische Sprache, in ihrer Eigenart und Schönheit sind unvergeßlich. Die Bedeutung der Sprache erfaßt man erst, wenn man plötzlich in fremdsprachiger Umgebung die geliebten Laute der Heimat hört und dabei das Bild der Heimat vor den eigenen Augen ersteht.
All die erwähnten Sitten und Bräuche, welche ich bis jetzt in meiner Aufzeichnung erwähnt habe, bleiben eine Bindung zu der verlorenen Heimat.
Mit großer Hoffnung folgten wir Egerländer der Machliniecer Sprachinsel dem Rufe zur Umsiedlung.
Wir gaben unsere Heimat auf, weil uns damals durch die Besetzung einer fremden Macht das Recht auf unser Volkstum versagt wurde.
Vieles haben wir verloren, aber wir gewannen uneingeschränkt unsere Muttersprache zurück und hielten sie in Ehren. Und so wurde unsere Machliniecer Sprachinsel durch die Auswanderung ein Land der Gräber und Kreuze.
Es war vor fast hundertzwanzig Jahren von unseren Vorfahren besiedelt worden. Im Jahre 1939/40 wurde es von uns als Nachfolger verlassen.
Den Blick nach vorn gerichtet, es gab kein zurück.
Das Leben stellte neue Aufgaben.