Frau Barbara Wünsche
geb. Vogel - Eine Zeitzeugin berichtet
über das Verlassen ihrer Heimat .
Unsere Reise aus der Heimat Galizien
Am 7. Dezember 1939
Ankunft der deutschen Kommission in Machliniec.
Für diese Männer gab es sehr viel zu tun. Das Vermögen musste aufgenommen und geschätzt werden. Der Viehbestand wurde registriert, vieles gab es zu beachten. Viele erfahrene Männer aus der Sprachinsel Machliniec standen der Kommission zur Seite. Schließlich war es soweit, die Koffer wurden gepackt. Es wurde schon sehr unruhig geschlafen, denn früh am Morgen sollte es losgehen.
Am 5. Januar 1940
früh um 6.00 Uhr fuhr der erste Transport von Kochawina in Viehwaggons Richtung Westen ab.
Meine Großmutter und meine beiden Geschwister waren auch dabei. Es wurden Mutter mit Kindern und ältere Leute dafür ausgewählt. Das Dorf wirkte abends wie ein Gespenst, hier und dort brannte ein Licht. Die Straßen waren menschenleer, denn die wenigen Leute, die noch zu Hause waren, hatten zu tun ihre paar Habseligkeiten zusammenzupacken und für den nächsten Transport vorzubereiten. Die Überbrückung war furchtbar.
Da es sehr kalt wurde, bis minus 20 - 30 Grad, beschloss man noch einmal einen Transport zusammenzustellen. Da kamen Männer, Frauen und Jugendliche, denen man die Kälte nicht zumuten wollte mit dem Gespann zu fahren. Aus allen Himmelsrichtungen kamen die Schlitten, bis sie schließlich auf die Hauptstraße nach Stryj trafen. Ein lautes Gebimmel war zu hören, denn sie fuhren alle mit Schlitten.
Der Zug fuhr am 14. Januar 1940 von Stryj ab.
Wir wurden dem Gelsendorfer Transport angeschlossen. Aufpassen war angesagt, damit man sich nicht verlor. Das einwaggonieren hat sehr lange gedauert. Mit bis zu 40 Mann waren wir in einem Waggon untergebracht. In der Mitte stand ein Kanonenofen. Im Waggon wurden wir ein letztes Mal aufgerufen, dann wurde der Wagen verplombt und ab ging es in Richtung Przemysl. Um 17.45 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung.
Am 15. Januar früh um 4.00 Uhr
sind wir in russisch Przemsyl angekommen.
Durch die russischen Behörden wurde alles auf das Peinlichste
kontrolliert und doch haben sich Unstimmigkeiten ergeben.
So mußten wir leider noch eine Nacht im Zug verbringen. Das Trinkwasser war ausgegangen.
Vor dem Zug kam ein russischer Offizier vorbei. Jemand fragte, wo man Wasser
bekommen könnte. Er sagte, es soll jemand mitkommen.
Da niemand gehen wollte, hab ich mich gemeldet und noch ein
anderes Mädel, ich weiß nicht mehr, wer es war. Vielleicht kann
sich heute noch jemand daran erinnern, wer mit mir
gegangen ist.
Mit einer großen Milchkanne sind wir losgezogen, der russische
Offizier hat uns sehr weit mitgenommen, zu einer Pumpe, wo die
Loks getankt haben. Wir bekamen es schon mit der Angst zu tun. Schnell haben wir
unsere Kanne gefüllt und wieder auf den
Rückweg gemacht.
Unterwegs fragte uns der Offizier, warum wir überhaupt
fortmachten, mit Deutschland wird sowieso Krieg, dann können wir
wieder zurück.
Am Waggon wieder angekommen, erzählten wir den Zwischenfall.
Das wollte uns keiner abnehmen, weil doch mit Deutschland und
Rußland ein Freundschaftspakt abgeschlossen war.
Später musste ich immer wieder daran denken.
Inzwischen war der Zug nun kontrolliert, die Russen waren fertig
.
Am 16. Januar 15.00 Uhr
sind wir über die Grenze gefahren, waren um 15.45 Uhr in deutsch Przemysl. Der Fluss " San" teilte die Stadt. Erwähnen möchte ich noch, dass am 16. Januar die Männer, unsere Väter mit Pferd und Wagen die Reise angetreten haben. Endlich wurden wir auswaggoniert und in das Lager Pschemod gebracht. Wir brauchten keine Angst mehr zu haben. Dort geschlafen, am 17. Januar von deutsch Przemysl mit dem Zug nach Pabianice über Tschenstochau gefahren.
Am 20. Januar 1.00 Uhr
in der Nacht in Pabianice angekommen und sind ausgestiegen. In der Nacht um 3.00 Uhr wurden wir mit dem Auto ins Lager gebracht.
Am 22. Januar
Viele Formalitäten mussten erledigt werden und wir wurden
desinfiziert.
Am 23. Januar
Um 13. 00 Uhr von Pabianice sind wir mit der Straßenbahn nach
Lodz (Litzmannstadt) gefahren, um 14.30 Uhr im Lager angekommen.
Es war eine große Fabrikhalle mit Stroh auf dem Fußboden, wie
auch in den anderen Lagern zuvor, dass schon sehr alt war.
Viele Transporte haben schon darauf geschlafen.
Es war nicht ausgeschlossen, dass man auch Ungeziefer bekam.
Dort haben wir auch Juden mit
dem gelben Stern gesehen. Wir durften keine Kontakte mit ihnen
aufnehmen, es war streng untersagt, sie wurden bewacht.
Sie mussten die Drecksarbeiten verrichten und bekamen ganz wenig
zu Essen.
Meine Mutter und noch andere Frauen haben ihnen heimlich etwas
zugesteckt. Das wurde vom Wachpersonal beobachtet, schon gab es
eine strenge Verwarnung.
Am 25. Januar
Mit der Straßenbahn in die Zgierkavro-Straße gefahren, in einem
großen Haus, dort mussten wir uns anmelden, gemessen, gewogen,
untersucht und verschiedenes mehr in
Zusammenhang mit Herkunft, Vermögen, Beruf und diverses mehr.
Nachmittags 5.00 Uhr , Suppe gegessen, anschließend mit der
Straßenbahn zurück gefahren.
Am 27. Januar
Nachmittags meldeten sich die Familien die vollständig waren,
manche davon sind schon am Sonntag abgefahren.
Die halben Familien wurden in
drei Transporte geteilt.
Der erste Transport fuhr am 28. Januar 1940 um
16.00 Uhr, der zweite 17.45 Uhr und der letzte 18.30 Uhr in
Richtung unbekannt ab. Wir waren dem dritten Transport
zugeteilt.
Wir fuhren die Strecke Ostrowo, wo wir Kaffee, Brot und Honig
bekamen, dann ging es über Kielee, dort gab es Tee, Suppe,
Kakao, Brot beschmiert mit Butter und Wurst.
Die erste Station im alten Reich
war Breslau, angekommen am 29. Januar um 8.30
Uhr.
Die zweite Haltestation war Brieg,
die dritte Grottkau,
die vierte Neisse,
die fünfte Ziegenhalz,
die sechste Freiwaldau.
Dort war Endstation, vormittags angekommen, ausgestiegen, in
Bussen nach Greienberg ins Lager gebracht.
Das Lager war überfüllt. Wieder sind wir in den
Zug gestiegen und nach Zuckmantel gefahren.
Dort ausgestiegen, sind wir mit einer Blaskapelle begrüßt
worden.
Da erfuhr man, dass wir Egerländer sind, und so hat man uns mit
dem Egerländermarsch begrüßt. Auf dem Bahnhof gab es noch
verschiedene Episoden mit dem Bahnhofspersonal.
Anschließend fuhren wir zum Schützenhaus, wo wir warmes Essen
bekamen und wir uns bei Musik noch etwas erholen konnten. Später wurden wir ins Lager
gebracht, wo wir länger bleiben sollten.
Im Lager angekommen, 30 Mann waren wir in einem großen Zimmer.
Die Leute waren gemischt, es waren viele Gelsendörfer, einige von
Lubscha und wir von Nowe Siolo.
Im Lager waren viele andere aus der Sprachinsel Machliniec, es
werden sich einige noch daran erinnern können. Jetzt ging die Sucherei los,
nach den Angehörigen.
Aus allen Himmelsrichtungen kamen Listen in das Lager, wo man
nach seinen Angehörigen suchen konnte.
Mein Vater war in Oschatz Sachsen, meine Großmutter mit den zwei
Geschwistern in Saaz Sudetengau.
Die Familien wurden wieder zusammen geführt.
Der Vater wie auch die Großmutter mit den Geschwistern kamen zu
uns.
Die Mutter und ich waren erst in der "Sonne" so hieß
das Lager.
Später, als die Familie zusammen war, kamen wir in das Amtsgericht, drei
Familien in einem Zimmer.
Wir haben gutes Essen gehabt und gute soziale Betreuung.
Sehr nette Schwestern und einen duften Arzt.
Wir haben in der Küche geholfen
und haben uns noch anderweitig nützlich gemacht.
An einem Tag im Mai hieß es, wir müssten nach Tetschen-Bodenbach fahren, dort waren Sammellager. Da wurden wir
wieder durch viele Kommissionen geschleust.
Nach einwöchigem Aufenthalt in
Tetschen-Bodenbach ging es per Bahn in den Tuschin-Wald Warthegau. Dort waren wir in Villen
untergebracht, es war eine schöne Zeit.
Es war im Wald, man konnte Beeren sammeln und verschiedenes mehr.
Die Leute wurden unruhig, man wollte wissen, woran man ist.
Nach ungefähr 14 Tagen wurden wir im Kreis
Kalisch und Kreis Schieradsch auf den polnischen Gehöften
angesiedelt.
Meine Ausführung war mehr für
die jüngeren Leute gedacht, denn sie waren damals Kinder und
können sich nicht mehr daran erinnern.
Bei den Ältern hat es manche Erinnerung wachgerufen.
Abschließend möchte ich in meinem Reisebericht noch einmal unterstreichen, diese schicksalsträchtige Zeit, mit all ihren Ereignissen bleibt zeitlebens für uns in Erinnerung, die verbindet, - aber nie vergeht!
Barbara Wünsche
geb. Vogel