Lagerleben


Nun, nach der Umsiedlung, waren die Galiziendeutschen und die anderen Umsiedler im Reich
angekommen und in Lagern untergebracht. Dort warteten sie auf die ihnen zugesagte
Ansiedlung, die Bauern manchmal monatelang - bei den später umgesiedelten
Südostdeutschen dauerte das Warten bis zu eineinhalb Jahren. Manch einen hat das Warten
zermürbt, manche Umstände des Lagerlebens waren unbefriedigend, der Kontakt zu den
deutschen Einheimischen vielfach enttäuschend, nicht selten mit Beleidigungen und
Erniedrigungen verbunden.

Aber es sollte anders kommen. Für das Reich, das sie rief, waren die "Rückkehrer", wie sie
auch genannt wurden, nur Bausteine in ihrem national-politischen Kalkül. Sie waren in der
Mehrheit ausersehen, das "deutsche Element" in den nach dem Polenkrieg einverleibten
westpolnischen Gebieten zu stärken, dazu diese Gebiete zu besiedeln und die dort ansässigen
Polen zu verdrängen.

Natürlich gab es unter den Umsiedlern auch Kritik an der Durchführung der Umsiedlung, den
langen Wartezeiten in den Lagern, an von manchen als unzureichend empfundenen
Dotationen bei der Ansiedlung, den zugewiesenen Orten und den Randbedingungen, unter
denen sie angesiedelt wurden, an der Zerschlagung bisheriger Dorfgemeinschaften, der
staatlichen Bürokratie, den ungewohnten politischen Pressionen und menschlichen
Enttäuschungen.

Tatsächlich gingen in Deutschland Illusionen verloren, es zerbrachen alte Traditionen und
Wertvorstellungen. Viele empfanden mindestens ein Unbehagen darüber, auf enteignetem
Besitz zu Lasten anderer angesiedelt bzw. mit fremden Gut für das zurückgelassene
Vermögen entschädigt worden zu sein. Schließlich führte die bei der Umsiedlung nicht
erwartete Wende des Krieges zu einem Höhepunkt voller Schrecken mit Vertreibung, häufig
mit Internierung oder Verschleppung und dem damit verbundenem unsäglichem Leid. Und
dennoch ist die überwiegende Zahl der Landsleute froh und dankbar, daß ihnen damals die
Umsiedlung ermöglicht wurde, zumal sie am Beispiel der Massenverschleppung der einstigen
Wolgadeutschen ins Innere der Sowjetunion sehen können, welches Schicksal auch ihnen
geblüht hätte, wenn sie auf der heimatlichen Scholle verblieben wären.