Die Flucht vor der roten Front
am 19. Januar 1945 aus Klein-
Freienhalde, Kreis Kalisch Wartegau (Polen) nach Sporen
Pfarrer Weber berichtet:
Die Flucht im Winter 1945
16.01.1945
Der Volkssturm zieht in den Kampf, also muss irgend
etwas los sein.
17.01.1945
In Stavensheim wird das Entbindungsheim geräumt. In
Kalisch soll es schon
drunter und drüber gehen. Ich fahre noch zum Religionsunterricht
nach
Helenow. Frau Keil und Frau Engel sprechen allen Ernstes von der
Abfahrt. Da der Autobus
nicht verkehrt, muss ich mit dem Gespann nach Kalisch, wo ich der
Schwester und Frau
Schörg die Stiefel überbringe. Die Kleinbahn fährt mit einer
Stunde Verspätung ab. so
komme ich erst spät abends wieder nach Hause Frau Benroth zeigt
mir weinend ein
Telegramm vom Chefarzt, „Der Gesundheitszustand Ihres Mannes
ist lebensgefährlich,"
Morgen will sie nach Herrenprotsch.
18.01.1945
Litzmannstadt (Lodz) ist schwer getroffen worden. Die
Züge von hier nach
Breslau sind seit mehr als 10 Stunden nicht mehr angekommen. So
kann aus
der Reise der Frau Benroth nichts werden. Nun plant sie, über
Pleschen zu fahren. Der
Amtskommissar erklärt ihr, dass die Lage sehr ernst ist und rät
ihr, die Kinder ja nicht zu
verlassen. Gegen 11.00 Uhr kommt Frau Benroth und sagt mir, es
wäre Zeit zu packen. In
rasendem Tempo fahre ich mit dem Rad nach Gotenfelde, um das
Allerheiligste
wegzunehmen. Unterwegs treffe ich Herrn Tomajer, der auch mit dem
Rad herumfährt und
die Leute packen heißt. Das ist schon amtlich. In Gotenfelde ist
auch schon der Befehl zu
packen gegeben worden, und zwar vom Amtskommissar selbst bei
einer Versammlung aller
Deutschen im Feuerwehrsaal. Die Frauen und Kinder aus Berlin
werden schon
abtransportiert. Also ist es wirklich emst,
19.01.1945
Ich zelebriere in Stavenheim und packe dann in aller Ruhe weiter. Am
Nachmittag besuche ich Herrn Benroth in Wirgingki. Vor einer
Stunde ist
der Sohn auf Urlaub gekommen. Die Frauen sind jetzt sehr ruhig.
Da ich schon
zurückkomme, wartet schon Fräulein Rosa Merk auf mich. Sie hat
noch kaum etwas gepackt.
ich rate ihr, rasch ans Werk zu gehen und vom Amtskommissar ein
Gespann für die Fahrt und
Flucht zu verlangen. ...
Um 20.00 Uhr kommt der Befehl, aufzuladen und sich auf dem Ring zu versammeln, wenn
auch erwartet, so doch ziemlich überraschend. Ich verabschiede
mich von Frau Mühlnickel
und schenke ihr zum Andenken den R Lindfunkapparat und das
Papstbild. Frau Pugowski, der
Hausbesitzerin, schenke ich den Wecker und die Möbel. Den
Kirchenschlüssel übergebe ich
Frau Mühlnickel mit dem Auftrag, ihn an Pfarrer Wiewierski aus
Dobny weiterzugeben.
Schweren Herzens scheide ich von meinem Nest. Den
Wohnungsschlüssel übergebe ich Frau
Mühlnickel. Sie hat mir noch etwas Reisekost mitgegeben. Um
23,00 Uhr fahren wir los. Ich
fahre mit dem Rad hinter oder neben dem Wagen der Nachbarin
Katharina Benroth her. Nun
sind wir auf der Straße, Gott allein weiß, wann wir wieder ein
Dach über dem Haupt haben.
In einer gefährlichen Kurve geht es bergab, und zwar ziemlich
scharf. Der ganze Treck stockt,
nur im Schneckentempo kommen wir weiter. ..Beim Hinabfahren ist
Frau Jäger aus Str... mit
ihrem Wagen in den Straßengraben gestürzt. Der Wagen muss liegen bleiben, das
Nötigste
wird auf einen anderen Wagen geladen. Das Kind ist beim Sturz
unter den Wagen gekommen
und jammert nun erbärmlich. Wer weiß, was ihm passiert ist.
Herr Zinbel und ich helfen den
Frauen, die Sachen wieder in Ordnung zu bringen, umzuladen und
einzuspannen. Frau Schulz.
geborene..,, die sich vor zwei Jahren am Aschermittwoch in der
evangelischen Kirche zu
Stavensheim trauen ließ und Hochzeit feierte, ist auch bei der
Katastrophe. Ihr zweites Kind
Im Alter von 5 Monaten ist noch nicht getauft. Sie bittet mich,
ich soll dem Kind die Nottaufe
spenden. Da sie ihm, wie ich mir berichten lasse, schon richtig
gespendet wurde, kann ich
davon absehen.
20.01.1945
Da der morgen schon graut, rollt unser Wagen ohne viel Schwierigkeiten
den Abhang hinunter. Nun geht es flotter weiter. Um 8.00 Uhr
bleiben wir
vor Pleschen stehen, futtern die Pferde und frühstücken. Eine
polnische Frau bewirtet uns so
gut, sie es in ihrer Armut kann. Nun geht es langsam weiter.
Immer wieder stockt die
unendliche Wagenreihe. In Pieschen fahren wir an Benroth und
Scheller vorbei Ihnen sind
die polnischen Knechte mit den guten Pelzen abgehauen. Frau
Scheller ist ganz verzweifelt
und bittet Herrn Tomajer, er möge ihr doch seinen Knecht
überlassen und ihr helfen. Durch
Pleschen kommen wir nur sehr langsam vorwärts. Von allen Seiten
kommen Wagenkolonnen
und die Wehrmacht flutet mit ihren Autokolonnen auch zurück. Am
späten Nachmittag
füttern wir hinter Pleschen. Hier treffe ich Groß und Gurski
aus Gotenfelde, Frau Weiß weint
bitter, da sie die Kinder frieren sieht. Was ist über uns
gekommen! Unsere SA hat die Polen
aus ihren eigenen Wirtschaften genommen und auf die Straße
gesetzt. Nun sitzen wir auf der
Straße und dazu noch im kalten Winter. Wir fahren weiter
Richtung Koschmin. Nach etwa
5 km wird es langsam dunkel und wir gehen ins Quartier. In einem
von Deutschen geräumten
Hof kommen wir gut unter. Der kleine Otto findet im Haus zwei
Hampelmänner und ist nun
der glücklichste Mensch. Um den Wagen zu hüten, schlafe ich
draußen. Ich bin ganz
zusammengekrümmt und friere erbärmlich. So also sieht die
Flucht in Winter aus. Gegen
3.00 Uhr morgens lasse ich den Wagen im Stich und schlafe bis
6.00 Uhr drinnen weiter.
21.01.1945
Sonntag, aber ohne Kirchgang und Gottesdienst- Um 8.00 Uhr brechen wir
wieder auf, Lissa ist unser Ziel, und wie sehnen wir uns nach
ihm!
Einstweilen wollen wir aber Koschmin erreichen. Vor dieser Stadt
kommt der ganze Treck
ins Stocken. Das Gedränge ist furchtbar. Unterwegs geben uns die
Polen warme Milch zu
trinken. Schwarzmeerdeutsche haben da übernachtet und am Morgen
die Wäsche der
Mädchen geraubt. Eine Magd erkennt, dass ich katholischer
Priester bin und gibt sich als
Nonne zu erkennen. Natürlich ist sie Polin. Mit einer Flasche
heißer Milch kehre ich zurück
zum Wagen. Auf dem Hof war auch ein Mädchen aus Ilno, wenn ich
nicht irre, dessen Mutter
plötzlich erkrankt war und nun hier daniederlag. War es nur
Übermüdung?
Am Nachmittag treffe ich Herrn Zintel, dann Pihs, Hektor usw. Ich
rufe ihnen einen Gruß zu,
steige dann auf ihren Wagen und begleite sie ein Stück Weg. Bei
diesem frohen Treffen fühle
ich so recht, wie ich in den zweieinhalb Jahren mit meinen
Schäflein so ziemlich eins
geworden bin. Einer ist dem anderen ein Stück Heimat.
Am Abend kommen wir erst gegen 9.00 Uhr ins Quartier. Es ist ein
Gut, dessen Besitzer auch
schon geflohen ist. Für die Pferde gibt es einen warmen Stall.
Aber auch wir müssen in dem
Stall schlafen. Frauen und Kinder schlafen auf dem Fußboden in
einer polnischen Hütte. Wir
reisen nun zusammen mit Weiß.
22.01.1945
Blaumontag! 0 Schreck, in der Nacht sind die Knechte getürmt. Nun werde
ich Rossknecht und Fuhrmann. Nur mit großer Sorge übernehme ich
Pferde
und Wagen der Frau Benroth in meine Pflege. Mein Rad findet Platz
auf dem Wagen, ich
aber schreite neben den Pferden her. Herr Fischer aus Seidendorf
ist da. Sein Wagen ist kaputt
und er muss auf einen kleineren umladen.
Weil er nicht alles drauf kriegt, verkauft er Herrn Ed. Weiß ein
Schwein und einen Sack
Mehl, mir einen Sack Mehl. Bis Herr Weiß seine Pferde beschlagen
hat, wird es 11 Uhr. Nur
mit Mühe kommen wir durch den Ort, Unser nächstes Ziel ist
Gostingen, das wir am Abend
durchqueren. Weis und Fischer haben wir verloren. Wieder treffe
ich Familie Pihs.
Nun kommt der Schreck der Nacht oder, besser gesagt, die
Schreckensnacht schlechthin. Da
ich gerade mit Herrn Pihs spreche, geht unweit der Straße im
Wald eine riesige Feuersäule
hoch, der eine gewaltige Detonation folgt. Was ist das? Ich denke
zunächst an eine
Bombardierung Lissas durch feindliche Flugzeuge. Das Spiel
wiederholt sich aber und die
Explosionen werden gewaltiger und kommen immer näher. Nun denken
wir alle, es wären
russische Kanonen, die den Treck beschießen wollen. Panik und
Wirrwarr. Die Mütter
schreien, die Kinder weinen, viele springen von den Wagen und
suchen Deckung. Inzwischen
gehen die Explosionen weiter, die Pferde werden scheu und so
mancher Wagen landet Im
Graben, Endlich schreit ein deutscher Offizier: Warum diese
Panik? Es sind ja deutsche
Munitionssprengungen beim Rückzug. Reichlich spät kommt diese
Aufklärung. Die
Explosionen sind unheimlich. Die Pferde sind wild geworden und
beginnen zu rennen. Um
sie in meiner Gewalt zu behalten, hänge ich mich an den Zaum des
Fuchses und renne tapfer
mit. Frau Benroth kann sich vor Angst nicht mehr helfen. Zuerst
will sie an die Seite fahren
und stehen bleiben, dann will sie ins nächste Dorf und warten.
Allein der Weg ist jetzt
ziemlich frei und so fahre ich weiter. An so manchem
umgestürzten Wagen geht's vorbei.
23.01.1945
Um 6 Uhr morgens sind wir 15 km vor Lissa. Wir fahren auf einen Hof, um
zu füttern und zu ruhen. Ich halte mich kaum noch auf den
Füßen. Die
polnischen Arbeiter des Gutes nehmen uns auf. Die Pferde müssen
aber auf dem Hof und im
Zug stehen. Wir schlafen drei Stunden, dann rüsten wir zur
Weiterfahrt. In Lissa soll alles
überfüllt sein. Der Gastgeber ratet uns, da zu bleiben. Wir
wollen tun, was alle tun, um das
Los aller zu teilen. Um 15 Uhr fahren wir wieder los. Anfangs
kommen wir gut vom Fleck,
dann geht es aber in einem miserablen Schneckentempo weiter,
Popiolek und Than fahren im ^\
Militärauto vorbei. Unterwegs treffen wir Frau Adam und Frau
Hackammer. Nur langsam
geht es auf Lissa zu. Aber 9 km vor Lissa werden wir umgeleitet.
Gott sei Dank, dass wir nicht
durch die Stadt müssen. Jetzt haben wir aber schlechte Straße.
Die Pferde rutschen und die
Wagen noch mehr. Jeden Augenblick kann man in den Straßengraben
kommen. Gegen 18
Uhr sind wir in einem Dorf. Wir bleiben stehen, füttern, essen
und trinken etwas Warmes,
Frau Benroth bekommt von Soldaten Milch für die Kinder und ich
finde gutes Heu für die
Pferde, Wehrmacht und Gendarmerie beeilen sich sehr! Um 19,30 Uhr
brechen wir auf.
Wieder eine grauenhafte Nacht! Zunächst geht's durch den Wald,
dann auf Feldwegen weiter.
Vor der ersten Ortschaft herrscht großes Gedränge. Mit Mühe
und Not kommen wir durch die
Straßen des Städtchens. Dann fahren wir über freies Feld
Fraustadt entgegen. Über freies Feld
geht's auf die Haupt- und Heerstraße zu. Da wir die erreicht
haben, kommt der Treck wieder
ins Stocken. Es ist kalt und der Wind weht scharf. Ich friere
bitter. Kopf und Brust habe ich
mit Frau Benroths großem Halstuch eingehüllt.
24.01.1945
Um 5 Uhr morgens beziehen wir Quartier, Die Pferde müssen draußen
stehen, wir kommen in ein nasses, kaltes Zimmer. Da wir kein Brot
mehr
haben, gibt uns Frau Hackammer einen Laib. Nach wenigen Stunden
schlechten Schlafes
rüsten wir zur Weiterfahrt. Frau Adams polnischer Knecht zieht
nun heim. Wir drehen frische
Stollen ein und fahren gegen Mittag wieder los. Frau Adam muss
nun allein fahren und ist
darum ganz verzweifelt. Zusammen mit Frau Hackammer will sie von
der Wehrmacht
mitgenommen werden. So bleiben sie denn zurück, ohne jedoch ihr
Ziel zu erreichen. Nur
12 km haben wir noch bis Fraustadt, erreichen es aber heute noch
nicht, denn wir fahren wie
die Katze um den heißen Brei. Doch die Grenze des Warthelandes
haben wir überschritten.
Um 20 Uhr beziehen wir Quartier in einem schlesischen Dorf.
Wieder müssen die Pferde
unter freiem Himmel stehen. Wir essen Brot und Fleisch und
trinken kaltes Wasser dazu.
Dann schlafen wir im Stroh. Um Mittemacht sehe ich nach den
Pferden, es ist alles in
Ordnung. Zwei andere Pferde sind in dieser Nacht ausgebrochen und
haben das Weite
gesucht. Am Morgen hatten schwarzmeerdeutsche Frauen nichts womit
weiterzufahren und
weinten.
25.01.1945
Ich verschaffe mir Heu für die Pferde und fahre dann los. Nach einer Weile
haben wir nach Fraustadt nur noch 7 km. Gegen Mittag sind wir da.
Auch
hier sind die Leute schon geflüchtet. Da die Wagenreihen von
mehreren Seiten in die Stadt
einfahren, sind die Straßen verstopft und wir kommen nur sehr
langsam weiter. Da ich das
sehe, mache ich einen Sprung zum katholischen Pfarrer und zu den
Schwestern. Sie bewirten
mich und geben mir eine Flasche heiße Suppe für die Kinder mit.
Hier stoßen wir auch wieder zu Adam und Hackammer. Sobald wir
aus der Stadt sind, geht es
in hohem Tempo weiter. Nun sind wir auf deutschem Boden und sehen
so recht den
Unterschied zwischen Wartheland und hier. Schöne, große
Häuser, elektrisches Licht,
Wasserleitung, Asphaltstraßen, geschlossene Dörfer. Um 18 Uhr
kehren wir in einem Gut ein
und finden hier Weiß und Fischer. Die Pferde stehen in einer
Fabrik, wir schlafen in einem
Zimmer des Schlosses, können aber kaum die Augen schließen.
Soldaten machen die ganze
Nacht hindurch schweren Radau.
26.01.1945
Heute ist es bitter kalt und wir kommen nur langsam voran. Mittags
erlauben sich die Frauen den Luxus, Kartoffelsuppe zu kochen. Wir
treffen
in diesem Dorf Jarski und Mauer vom Hasengrund. Die
Kartoffelsuppe lässt lange auf sich
warten und darum fahren die beiden Weiß ab. Wir erreichen
Schlesiersee und übernachten im
Dominium. Wieder müssen die Pferde draußen stehen. Ich schlafe
auf dem Wagen, Frau
Benroth bekommt gutes Quartier in der Stadt. Der Gastgeber teilt
das letzte Brot mit uns.
27.01.1945
Durch den frischen Schnee geht's nur schwer voran. Wieder ist es bitter
kalt. Am Morgen hatte ich meine gefrorenen Schuhe nur mit Mühe
auf die
Füße gekriegt. Gegen Abend treffe ich Herrn Kalinewski, der
auch beim Volkssturm war. Im
Walde von Gostingen ist er gestanden, hat aber noch rechtzeitig
den Befehl zu schnellem
Abrücken erhalten. Wir übernachten in einer evakuierten
Wirtschaft. Da gibt es für uns
Kartoffeln und die Pferde bekommen reichlich Hafer. Ich fülle
zugleich auch meine
Haferreserven auf. Im gleichen Haus sind auch Bukowiner
einquartiert. Sie haben ein großes
Hühnersterben verschuldet. Die Oder ist nicht mehr weit.
28.01.1945
Gegen Mittag überqueren wir die Oder bei Beuthen. Auf der Brücke hängen
zwei Plünderer am Strang. Abschreckendes Beispiel sollen sie
sein.
Umsonst versuche ich Brot zu kaufen. Wir füttern kurz und fahren
dann weiter. Neusalz ist
unser Ziel. Vor der Stadt werden wir umgeleitet und geraten in
das Dorf Schliefen, wo wir auf
den Hof des Gutes fahren. Es ist bitter kalt. Die Pferde bringe
ich in der Scheune unter. Nur
nach langem Betteln bekommen Frau Benroth und Frau Adam Quartier.
Die
Schwarzmeerdeutschen haben uns Flüchtlingen einen sehr
schlechten Ruf gemacht, so dass
sich jeder vor uns hütet. Kein Wunder, denn man hat die Leute
bestohlen und ihre Stuben
versaut. In einer kleinen Dachstube schlafen wir 14 Personen.
29.01.1945
Am Morgen jagt uns ein Offizier auf und heißt uns in 10 Minuten abfahren.
Die Wehrmacht geht hier in Stellung. Es dauert zwar etwas
länger, aber wir
müssen doch bald aufbrechen. Wir warten einige Zeit auf Familie
Fischer. Da sie nicht
kommt, fahren wir ab. Ein schwarzer Tag! Es ist sehr kalt und wir
haben kein Brot, So essen
wir bloß Wurst. Um 15 Uhr landen wir in Freistadt und gehen auch
gleich ins Quartier. In
einem Gasthof bekomme ich einen warmen Stall für die Pferde. Wir
selbst bekommen in der
Stadt ein ganz gutes Quartier.
30.01.1945
Kurz nach 8 Uhr fahren wir los, und zwar in Richtung des ganzen Trecks.
Der Feldweg ist aber verschneit und wir kommen nur langsam voran.
Es
spricht sich herum, dass die Kreisleitung die Marschroute bekannt
gibt, ich schicke also die
zwei Frauen dahin. Die kommen mit Bescheid zurück: Sagan-Sorau.
Wir müssen also
umkehren, wieder in die Stadt fahren, um so auf die Straße nach
Saga zu kommen. Unsere
Bemühungen um Brot waren auch hier fast ergebnislos. Was wir
bekommen, reicht nur für
sehr kurze Zeit. Am Nachmittag füttern wir in einem Ort und
kaufen auch Brot. Auf meine
Marken bekomme ich 5 kg. Eine Sorge weniger! Das Fräulein in der
Bäckerei ist sehr lieb
und teilnehmend. Es nimmt uns in die warme Küche und reicht uns
Kaffee. Dann ziehen wir
weiter und wir kommen gut vom Fleck. Aber nicht lange. Mit
knapper Not kommen wir an
einem Lastauto vorbei, das in tiefem Schnee herumarbeitet und
nicht weiter kann. Dann
geht's eigentlich wieder, aber nicht lange. Die große Sorge des
Tages kommt noch Zwei
Autokolonnen haben sich begegnet, wollen einander ausweichen und
bleiben beide im
Schnee stecken. Die Soldaten sind zwar fleißig am Werk, um alles
wieder flott zu machen,
doch das könnte ein paar schöne Stunden dauern. Ich gehe vor,
sehe mir alles an, entschließe
mich, auf freiem Felde an diesem Zauber vorbei zu kommen. Das
Schwierigste am Ganzen
ist, durch den Straßengraben aufs Feld zu kommen. Frau Benroth
ist mit meinem Plan nicht
einverstanden und möchte warten. Allein bevor sie zu Wort kommt,
haben die Pferde schon
angezogen. Frisch gewagt ist halb gewonnen. Bald sind wir wieder
glücklich auf der Straße.
An diesem Nachmittag geht bei einem Sturz das Glas meiner Uhr
kaputt. Um 18 Uhr machen
wir in Hirschfelde halt und suchen Quartier. Um etwas zu kriegen,
müssen wir weit
hinausfahren, werden aber sehr gut untergebracht. Nach einem
wohltuenden Fußbad schlafe
ich das erste Mal auf dieser Flucht wieder in einem Bett und unter
einer warmen Federdecke.
Hier sind die Leute sehr nett gewesen.
31.01.1945
Bei der Abfahrt am Morgen hat der junge Herr Adam Pech. Da er über
einen Steinhaufen fahren will, bricht das Ortscheid. Frau Adam
ist
verzweifelt, der Junge weint, ich selbst weiß auch nicht, wie
ich helfen sollte. Einige Soldaten
packen aber zu und bald ist alles wieder startbereit. Durch
tiefen Schnee kommen wir schwer
und langsam zur Hauptstraße, Aber dann geht es flott weiter, so
dass wir zu Mittag schon in
Sagan sind. Hier treffen wir Geib und Emrich aus Predzen. Wir
füttern in der Stadt und fahren
dann wieder los. Fünf Kilometer vor Sorau wollen wir Quartier
beziehen. Aber ein Gendarm
sagt uns, wir müssten weiter und wären in Sorau schon am Ziel.
Da ich es nicht glauben will,
zeigt er mir die Liste. Kreis Jarotschin und Kreis Kalisch werden
im Kreis Sorau
untergebracht. Ich bin so froh, dass ich am liebsten diesen Mann
unarmen möchte. Und nun
geht's weiter. Die Pferde sind zwar sehr müde, aber Sorau
erreichen wir doch noch. Hier
treffen wir den Amtskommissar von Stavenheim. Auf der
Auskunftsstelle erfahren wir, dass
die Ortsgruppe Stavensheim 20 km weiter, nach Teuplitz, muss. Wir
übernachten in Sorau und
da werden wir zum ersten Mal von der NSV betreut. Die Pferde
stehen in der Fabrik, wir essen
in einem Gasthof und schlafen in der Schule,
01.02.1945
Am Morgen muss ich ziemlich lange auf die Frauen warten. Um 8.30 Uhr
fahren wir los. Teuplitz ist unser Ziel. Es ist schön so warm,
dass der Schnee
auf der Straße schmilzt. Da wir zu Mittag füttern, kommt Herr
Benroth, Johann mit seinen
zwei Wagen angefahren. Die Freude über das Wiedersehen ist
groß. Familie Schön kommt
von Teuplitz und fährt nach Sorau, Jeder muss zu seiner
Ortsgruppe, Um 17 Uhr sind wir
glücklich in Teuplitz gelandet. Schon am Anfang des Dorfes
erkundige ich mich, ob es hier
einen katholischen Pfarrer gibt. Ja, sagt man mir, und darüber
bin ich froh. Wir müssen zur
Schule, wo die NSV die Quartiere zuweist. Auf dem Weg sehe ich
Schulz und Buttenbender.
Bei der Schule treffe ich Herrn Kiel. Er sagt mir gleich, dass
wir keine Quartiere kriegen. Der
Herr von der NSV ist nicht ganz bei der Sache und spricht auch
sehr pessimistisch.
Ich besuche den Pfarrer. Er ist ein junger Herr, der mich sehr
freundlich empfängt. Ich sehe
noch schrecklich aus. Die Schuhe sind ohne Schnüre und
schmutzig, der Mantel ist ganz
verfleckt und zweier Knöpfe beraubt. Schmutzig, ungeschoren und
mit einem Bart von 14
Tagen stehe ich da. Nachdem ich mich ein wenig abgewaschen und
eine Tasse Kaffee
getrunken habe, kehre ich zurück zur Schule. Ganz erschöpft
werfe ich mich auf das
Strohlager und schlafe. Die Wagen haben wir in den Hof gefahren,
die Pferde muss Frau
Benroth selbst versorgen.
02.02.1945
Maria Lichtmeß, Frau Benroth und die alten Benroths haben schon Quartier.
Ich mache mich in der Badestube des Pfarrers sauber. Am
Nachmittag gehe
ich mit Frau Benroth auf die Suche nach Familie Weiß. In
Helmsdorf suchen wir vergebens.
Da es schon ziemlich spät ist, ziehe ich allein nach Zilmsdorf,
wo ich die Herren auch finde.
Ich kann auch einen Sack Hächsel und den Rest von unserem Hafer
mitbringen. Das ist sehr
wichtig, denn die Pferde haben nichts mehr zu fressen. In der
Schule erfahre ich, dass ich zu
Herrn Edmund Ottlinger, Bahnhofstraße 12, ins Quartier komme. Da
ich am Abend nicht
mehr hinziehen kann, schlafe ich im Pfarrhaus. Kurt Rachfahl
heißt der Pfarrer.
03.02.1945
St. Blasius, Nach mehr als zwei Wochen kann ich heute wieder das heilige
Messopfer darbieten. Am Nachmittag bringe ich meine Sachen zu
Herrn
Ottlinger. Er ist ein siebzigjähriger Junggeselle, der seinen
Haushalt ganz allein führt.
04.02.1945
Sonntag. Ich sitze im Beichtstuhl. Pfarrer Rachfahl predigt über das Thema:
"Wohin soll ich mich wenden? Unsere Hilfe ist im Namen des
Herrn."
Vor allem nimmt er Bezug auf die Flüchtlinge.
Herr Ottlinger hat mich zum Mittagessen eingeladen und rückt
sogar mit einer Flasche Wein
heraus. Ich beginne ein Buch von Pater Lippert zu lesen und ein
anderes über die Heilsarmee.
07.02.1945
0 Schreck, wir müssen wieder wandern. Kaum habe ich ausgepackt, da
muss
ich wieder einpacken. Die Matrikelbücher lasse ich im Pfarrhaus
zurück
und ebenso den Messwein. Es ist mir jämmerlich zu mute. In
Gottes Namen - fahren wir.
08.02.1945
Diese Nacht habe ich miserabel geschlafen. Immer wieder stand das
Gespenst der neuen Wanderung vor meinem Geist. Es war ein
gequältes
Schlafen. Um 4 Uhr stand ich auf. Herr Ottlinger half mir packen
und die Sachen zum Wagen
bringen. Das war sehr lieb von dem alten Herrn. Möge Gott es ihm
vergelten! Beim
Einspannen mache ich mich ganz dreckig, denn die Geschirre haben
im Morast
herumgelegen. Das Gebiss des Braunen ist durchgebrochen. Es wird
mit einem festen Draht
gestückelt und hält. Um 7 Uhr fahren wir los. Bis Triebel geht
es ziemlich flott. Hier fängt
aber wieder das ewige Stehen an. Hafer wird ausgegeben. Über
Muskau kommen wir bei
Einbruch der Dunkelheit nach Weißwasser. Auf der Straße nimmt
sich ein sehr liebes
Fräulein unser an. Wir bekommen warmen Kaffee für die Kinder,
die Pferde erhallen einen
warmen Trunk und Brotkrusten. Man sah es diesem Menschen an, dass
er helfen wollte, und
das tat uns so wohl. Wir fahren auf den Marktplatz, wo wir
übernachten, Frau Benroth geht
mit den Kindern in eine Schule, ich schlafe als Wächter auf dem
Wagen,
09.02.1945
Schon um 7 Uhr fahren wir los. Und wir kommen gut vom Fleck, Jetzt
halten wir uns an Johann Benroth. Zu Mittag bekommt er von einem
Bauern
3 Bund Heu und einen halben Sack Hächsel. Gegen Abend landen wir
in Hoyerswerda und
müssen ins Quartier 4 km weiter nach Michalken. An diesem Tag
haben wir 52 km
zurückgelegt. Die Pferde sind todmüde. Wir übernachten in
einem Gasthof. Die Pferde sind in
der Scheune untergebracht, wir schlafen auf dem Fußboden in der
Gaststube.
10.02.1945
Der Fuchs hingt und kommt kaum noch vom Fleck. Ich fahre schon 90
Minuten früher los, und zwar fahre ich in das nächste Dorf zum
Schmied.
Mit viel Mühe und Not wird der Krampen umgeschlagen. Der Huf ist
eingewachsen und eitert
schon. Beim Aufschneiden ist das arme Tier sehr unruhig, so dass
der fünfundsiebzigjährige
Meister fast verzweifelt. Doch auch ich habe des Fußhaltens bald
genug. Das Werk ist aber
gelungen und wir können weiterfahren. Gegen Mittag sind wir in
der nächsten Stadt und wir
werden verpflegt. Dann geht es weiter bis Lindendorf, wo wir am
späten und dunklen Abend
die Quartiere vom Ortsbauernführer zugewiesen bekommen. Diesmal
haben wir für die
Pferde einen kleinen, warmen Stall. Fein! Ein
Schwarzmeerdeutscher hatte ihn auf eigene
Faust belegt und setzte nun seine ganze Redekunst ein, um mich
abzuschieben. Umsonst, er
muss in sein eigenes Quartier, Der Besitzer des Stalls ist ein
altes Murmeltier. Er brummt und
murrt ohne Ende. Wenn mir die Geduld reißt, schmeiße ich ihn in
die Jauchegrube, in der
beinahe das Pferd des Schwarzmeerdeutschen untergegangen wäre.
-"\
Schlafen müssen wir im Nachbarhaus. Da nimmt uns eine sehr nette
Frau auf. Selbst arm,
bewirtet sie uns noch mit Kuchen und Kaffee. Da wir uns zur Ruhe
begeben, will sie mich zu
Frau Benroth ins Bett schaffen. Ich sage ihr nun, wie es um mich
steht, allein das kann sie
nicht begreifen. Wie kann man denn so einsam leben?, fragt sie.
Nicht umsonst hat der Herr
gesagt: "Nicht alle fassen dieses Wort, sondern nur die,
denen die Gnade dazu gegeben ist
.....und es gibt solche, die sich der Ehe enthalten um des
Himmelreiches Willen.
Wer es fassen kann, der fasse es!"
11.02.1945
Sonntag! Wir spüren wenig davon. Ich kaufe bei dem sehr unfreundlichen
alten Herrn ein paar Garben Gemisch und um 8,30 Uhr fahren wir
los. Im
Dorf ist kein einziger Wagen mehr. So fahren wir ganz allein
Ortrand entgegen. Unterwegs
treffe ich Freienhalder Leute. Ein frohes Treffen mit meinen
beiden Ministranten. Die
Köstlers sind alle da. Zu Mittag sind wir in Ortrand. Ich
füttere, kaufe für mich und Herrn
Benroth Hafer und dann geht's weiter. Wir schließen uns dem
Treck von Herrn Eduard Weiß
an. Diese Herren fahren aber bergab und bergauf trab. So macht
man nur die Pferde kaputt.
Gegen Abend kommen wir in Prosen an und beziehen Quartier. Unser
Wagen wird auf
Nummer 8 bei Meyers untergebracht. Der Braun ist krank. Er hat
starken Durchfall und will
nichts fressen. Eine Sorge mehr!
Die Leute sind anfangs sehr kurz angebunden. Da ich mich als
Pfarrer vorstelle, werden sie
ganz freundlich. Anfangs sollten wir in einem Gasthof schlafen,
jetzt aber gibt's sowohl für
Frau Benroth als auch für mich Quartier.
12.02.1945
Heute geht's nach Liebenwerda. Gegen Mittag sind wir da, müssen aber
gleich weiter nach Düben an der Mulde. Wir treffen wieder Herrn
Weiß,
den wir in Posen verloren hatten und schließen uns wieder seinem
Treck an. Herr Peter
Benroth drängt sehr darauf. Da der ganze Treck gleich losfährt
und ich noch nicht gefüttert
habe, kann ich kaum mitmachen. Die Pferde sind matt. So lasse ich
mir das Ziel des Tages
sagen und bleibe dann allein zurück, um zu füttern. Von einem
Bauern erbettle ich etwas Heu
für den Braunen, den ich dann auch warm tränke. Dann ziehen wir
langsam los und kommen um
18 Uhr in Kötten an. Vom Treck ist da keine Spur. Angeblich soll
er in Blumberg, 3 km
seitwärts, untergebracht sein. Dieses Mehr kann ich meinen
Pferden nicht zumuten. So stelle
ich den Wagen in eine großmächtige Scheune und schlafe im
Stroh. Frau Benrolh hat gutes
Quartier bekommen.
13.02.1945
Um 7.30 Uhr fahren wir los. Von den anderen ist nichts zu sehen. In Torgau
überschreiten wir die Elbe und landen am Abend in Pressel. Die
Pferde
haben diesmal einen warmen Stall und gutes Heu. Wir sind bei
Familie Müller untergebracht.
Es sind sehr liebe Leute. Zum Abendbrot gibt's Quark mit
Kartoffeln und nachher noch eine
gute Bemme. Für die Nacht bekomme ich ein eignes Zimmer.
14.02.1945
In Düben treffen wir heute Heim Schulz und werden seinem Treck
angeschlossen. Ein Parteimann sagt uns, es wären nur noch 20 km
bis zum
Endziel Pratau. Am Abend sind wir aber längst nicht in Pratau,
sondern erst in Ogkeln, 16 km
vor Pratau. Wir werden bei Familie Beyer untergebracht. Die
Bäuerin kocht uns einen guten
Eintopf, aber der Wagen muss im Hof stehen, die Pferde in der
Scheune hausen und ich auf
dem Heuboden schlafen. Es soll ja die letzte Nacht sein. Wir
haben den ganzen Mist auch
gründlich satt.
15.02.1945
In der Nacht hat's geregnet. Der Wagen ist nass. Die Pferde sind schlecht
gefuttert. Darum geht's nur langsam weiter. Familie Beyer hat uns
vor der
Abreise ein gutes Frühstück gereicht. Es sind nette Leute. Da
sie mich als Pfarrer erkennen,
werden sie sogar sehr freundlich. Diese evangelischen Christen
leben aus Gottes Wort und
finden in ihm Trost. Gegen Mittag sind wir in Pratau, Da sollen
wir nun bleiben. Nur 3 km
weiter liegt Wittenberg, die Lutherstadt. Ich setze mich gleich
mit dem katholischen Pfarrer
von Wittenberg telefonisch in Verbindung. Wachtmeister Liebmann
nimmt sich in sehr
freundlicher Weise meiner an. Am Abend spreche ich bei Pfarrer
Genau vor und bleibe im
Pfarrhaus über Nacht.
16.02.1945
Wie froh bin ich, dass ich wieder einmal das heilige
Messopfer darbringen
kann. Es kommt einem so ganz zu Bewusstsein, dass man eben
Priester
Gottes ist. Ich kehre zurück nach Pratau und harre im Lindenhof
des Kommenden. Am
Nachmittag bekommen wir die Quartiere zugewiesen, Frau Benroth
kommt auf Schulstraße 8,
ich auf Hermann Göring Straße 12 zu Frau Kola, Ich habe
wieder einmal Glück. Die
Gastgeberin ist sehr lieb und die Wohnung schön und sauber. Noch
am Abend bringe ich
meine Sachen ins neue "Heim".
17.02.1945
Nun zelebriere ich täglich in Wittenberg, wohne aber in Pratau. Am
Nachmittag marschiere ich mit Frau Benroth nach Dabrun. Da finden
wir
Benroth Peter und Johann, die Familie Schöller, Richtscheid und
Rauth und Krause.
24.02.1945
Es melden sich zwei willkommene Ruhestörer. Ganz unerwartet erscheint
eine Abordnung der Jugendgruppe, Gena Zentner und Katharina
Bommersbach. Wir schauen uns an, als wenn wir alle drei vom Tod
auferstanden wären. Frau
Kola liegt im Krankenhaus. So machen wir uns allein ans Kochen
und beim warmen Kaffee
gibt's dann viel zu erzählen. Beim Kreisleiter Waibler waren sie
in Bitterfeld und haben nach
den Stavensheimern und nach Pfarrer Weber gefragt. Nach einer
Besprechung mit Herrn
Lindemann von der NSV werden meine Gäste im Gasthof Haase
untergebracht.
25.02.1945
Am Nachmittag fahren wir alle drei nach Mösthinsdorf im Kreis Bitterfeld.
Da ist ja die große Masse meiner Pfarrkinder. Plötzlich stehe
ich am Abend
vor Frau Zentner. Von ihr, die so sehr um mein leibliches Wohl
besorgt ist, sowie auch von
ihren Gastgebern, Familie Sitte, werde ich sehr freundlich
aufgenommen. Am späten Abend
ruft mich Fräulein K. Gommersbach noch an, ich möchte am
nächsten Tag ihre Großmutter in
Löberitz beerdigen.
26.02.1945
Schon am frühen Morgen gehe ich von Haus zu Haus. Ich besuche meine
Pfarrkinder. Jeder Mensch, den ich hier treffe, ist mir ein alter
Bekannter
und ein Stück Heimat. Wir erzählen einander von der Flucht, vom
gemeinsamen Kreuz und
Leid, Die Leute sind noch guten Mutes und hoffen, bald ins
Wartheland zurückzukehren.
Leider wissen sie noch immer nicht, wie viel Uhr es schlägt.
28.02.1945
Parteigenosse Volk spricht auf einer Versammlung aller Flüchtlinge in
Ostrau. Auch jetzt noch wagt er es, ihnen den Brei ums Maul zu
schmieren.
Es ist sicher, dass wir wieder in den Warthegau kommen, sagt er.
Wir sollen auch hier
Hakenkreuze als Abzeichen tragen. Dergleichen erzählt uns dieser
Quasseler. Man kann
wütend werden. Gleich nachher spreche ich mit Amtskommissar Drach
wegen der
Einquartierung der zwei Soldatenfrauen Hektor. Sie sind bei einem
Großbauern
untergebracht, doch dieser Großbauer hat ein sehr kleines Herz.
Die Frau der Herrn Franz
Hektor wohnt mit ihren drei Kindern in einem kleinen Zimmer, das
kein Bett und keinen
Ofen hat.
29.02.1945
Landrat Markgraf erklärt mir heute in Bitterfeld: "In sechs Wochen sind wir
wieder in Kalisch." Die Botschaft hör ich wohl, allein es
fehlt der Glaube,
19.03.1945
Wieder bin ich im Kreis Bitterfeld und besuche meine Gläubigen, Das
Hauptquartier habe ich in Mösthinsdorf bei Familie Zentner,
24.03.1945
Ganz unerwartet erscheint Fräulein Rosa Merk und wird als Lehrerin für die
Flüchtlingskinder eingesetzt. Ich bin froh, diesen Menschen
wieder zu sehen, hat er mir doch
in den schweren Zeiten Greiserherrschaft soviel geholfen.
Aber auch sonst verdanke ich diesem Grübler so manchem Impuls.
01.04.1945
In der evangelischen Kirche zu Mösthinsdorf feiern wir um 7.00 Uhr
Morgens unseren Ostergottesdienst. Ostern in einer fremden
Kirche, unter
fremdem Dach, am fremden Tisch. Und wo sind unsere Brüder,
unsere Väter, unsere Mütter?
Wenn die Kirche auch jubelt ob der Auferstehung des Herrn, wir
müssen weinen.