Über das Leben der „DEUTSCHBÖHMEN“ in Galizien, ihre Vertreibung 1939/40, 1945 und ihre Rückkehr in den deutschsprachigen Raum


von Josef Schön, Stumsdorf

 

1 Das Gebiet Galizien und seine Besiedlung durch Deutsche

 1.1 Das Gebiet Galizien umfasst historisch gesehen zwei Teile:

 Im Westen das Gebiet zu beiden Seiten der oberen Weichsel, altes polnisches Kerngebiet mit dem Mittelpunkt Krakau und im Osten „Rotrußland“ früher ein Teil des kleinrussischen, Kiewer Reiches, das zur Tartarenzeit (um 1366) von Kasimir dem Großen von Polen unter­worfen wurde und ab 1387 endgültig zu Polen gehörte. Seine größte Stadt ist Lemberg.

1772 kam durch die 1. Teilung Polens das Gebiet Galizien an die österreichisch-ungari­sche Monarchie. Zu Österreich gehörte es bis zum Ende des 1. Weltkrieges, von 1918 bis 1939 wurde es erneut Polen angegliedert und 1939 auf Grund des Vertrages von Hitler-Deutschland und der Sowjetunion wieder geteilt.

Der westliche Teil blieb von Hitler besetzt und wurde nach 1945 der Volksrepublik Polen angegliedert, der östliche Teil kam - wie vor 1366- zur Ukraine und gehörte seitdem zur Ukrainischen SSR. (Seit 1991 zum neuen selbständigen Staat Ukraine.)

1.2 Die Besiedlung durch Deutsche, speziell durch Egerländer und Böhmerwälder

Ursprünglich war das Gebiet Galizien von Polen und Ukrainern besiedelt. Bereits im Mit­telalter jedoch wurden von polnischen Fürsten Deutsche in das westgalizische Gebiet geru­fen, ihnen folgten deutschsprachige Juden. Die östlichen Teile wurden erst nach 1772, vor allem durch die österreichische Kaiserin Maria Theresia und das Kolonisationspatent ihres Sohnes Josef des II. — 1781 — besiedelt.

Obwohl die folgenden österreichischen Kaiser kein Interesse und Verlangen an der weite­ren Kolonisation Galiziens hatten, blieb der Zustrom der Deutschen in dieses Gebiet erhalten und endete erst um 1836—1840. Tochtersiedlungen entstanden noch bis zur Jahrhundertwen­de.

Während im 18. Jahrhundert vorwiegend Pfälzer auch in ostgalizische Gebiete einwander­ten, entstanden zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch die Siedlungen der Egerländer und Böh­merwälder. Einige davon sind: Mariahilf 1811, Teres6wka 1818, Zakla um 1825, Machliniec 1823, Kornelowka um 1830, Josefsthal 1830, Ludwikowka 1832, Felizienthal 1835.

Einsiedlungen in ukrainische und polnische Dörfer erfolgten z. B. um 1830 in Izydorowka, Nowe Siolo, Lubsza, Mazurowka und in Smorze Gärne um 1840. In den meisten Fäl­len waren in diesen Dörfern 1939 die Deutschen in der Überzahl.

Deutsch-böhmische Tochtersiedlungen entstanden 1866 in Rosenheck, 1868 in Wola Oblarznica (Drösseldorf), 1870 in Leopoldsdorf und 1899 in Kontrowers, um nur einige zu nennen.

Unter den „Deutschböhmen“, wie man die Siedler wegen ihrer Herkunft aus Böhmen nannte, gab es zwei Hauptgruppen: die Egerländer und die Böhmerwälder.

Die Deutschen der Machliniecer Sprachinsel (Stammdörfer Machliniec, Nowe Siolo, Korneluwka und Izydorowka) stammten aus dem Egerland, während die des Felizienthaler Gebietes wohnenden Deutschen etwa zu gleichen Teilen aus dem Egerland und dem Böhmerwald kamen

2 Die ökonomische und politische Situation der „Deutschböhmen“ in Galizien

2.1 Vom schweren Anfang im fremden Lande

Die Siedlungen der „Deutschböhmen“ in Galizien entstanden nicht mehr auf staatlichen Flächen oder Gütern wie die der Schwaben, sondern auf privatem Grund und Boden der polnischen oder kirchlichen Feudalherren. Sie erhielten auch keinerlei Unterstützung von Seiten des österreichischen Staates, wie das noch bei der Besiedlung durch die Pfälzer (Schwaben) bis um 1800 der Fall war. Die privaten Großgrundbesitzer wollten durch die Siedler in 1. Linie ihre nutzlosen Wälder auf billige Art verwenden und das Gebiet erschließen.

Die Deutschböhmen waren völlig auf eigene Gefahr und eigene Kosten ins Land gekom­men, oft sogar ohne bestimmtes Ziel, bereit, sich niederzulassen, wo sich eine Gelegenheit fand. Ihr „Land“ wurde ihnen im Walde zugeteilt und um alles übrige hatten sie sich selbst zu kümmern.

Nur in seltenen Fällen, bei Einsiedlungen in ukrainische (ruthenische) oder polnische (masurische) Dörfer, war ein Stück Feld dem Anbau schon zugänglich. Ihre Grundstücke hatten sie alleine zu bauen, Holz war ja vorhanden, sie bekamen weder Vieh noch Wirtschaftsein­richtungen, von Geldunterstützungen gar nicht zu reden. Die Anforderungen an sie waren also weit höher als bei den Pfälzern. Sie waren aus Böhmen weggegangen auf Grund der Übersiedlung dort (viele Kinder, kein Land, wenig Arbeit), um sich etwas Eigenes zu schaffen. Teilweise hatten sie auch auf ihren weiten und beschwerlichen Weg Gerätschaften für die Landwirtschaft mitgeschleppt. Die Deutschböhmen erhielten in den meisten Fällen auch we­niger Land als die Pfälzer zugeteilt. Nur die Machliniecer konnten sich mit 19 Joch (1 Joch-5725 m2) mit den Pfälzern messen. In Mariahilf erhielt z. B. jede Familie nur 4 Joch.

Da die Egerländer und Böhmerwälder aber aus eng begrenzten Heimatgebieten kamen, waren sie auch bereit, sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen. Die mündliche Überlieferung aus der Anfangszeit (Aufzeichnungen wurden nicht gemacht) spricht vom „unsäglichen Elend, vom Wohnen in Rindenhütten mitten im Urwald, von der schweren Arbeit des Bäumefällens und Stöckerodens, vom Hungern und Frieren“.

Aus Machliniec und Felizienthal wurde sogar berichtet, daß die Siedler in ihrer Verzweiflung zu den Ruthenen (Ukrainern) betteln gingen, obwohl sie deren Sprache nicht kannten. Ein Zurück in die alte Heimat gab es nur für einige, die noch Mittel besaßen, die anderen mußten bleiben, auch wenn alles viel schlimmer war, als erwartet.  Die Siedler erhielten nach harten Auseinandersetzungen mit den Gutsherren 6 Freijahre ohne Zins, (es war ihnen Ackerland versprochen, Urwald erhielten sie !) mußten dann jährlich  für das Joch Zins zahlen, außerdem mußte jeder Siedler der Herrschaft sechs Tage Zugfuhre und sechs Tage Handrobot unentgeltlich leisten und außerdem acht Aushilfetage gegen bare Zahlung leisten. (Leibeigenschaft)

Erst 1848, nach Schreiben und Gesuchen an das Landespräsidium, wurden die Siedler von Machliniec, Nowesiolo und Kornelowka von der Robot befreit. Erst jetzt konnten die Siedler ihre eigenen Höfe entwickeln, im Laufe der Jahre Grund von der Herrschaft zukaufen und für ihre zweiten Söhne neue Höfe errichten.

 2.2   Die Entwicklung bis 1939

 In den 2o-iger Jahren, nachdem die Wunden des 1. Weltkrieges und der Inflation überstan­den waren, hatten die Siedler in vielen Fällen einen relativ guten Stand erreicht. Angebaut wurden vier Getreidesorten (Roggen, Weizen, Hafer, Gerste) auch Flachs, Buchweizen, Kartoffeln, Rüben und Kohlrüben (Dorschen). Man arbeitete nach der 3- Felderwirtschaft, also mit Brache, nur etwas erweitert in der Fruchtfolge. Sense und Sichel waren zum Mähen des Getreides noch unentbehrlich und der Dreschflegel zum Gewinnen des Kornes nicht wegzudenken. Es gab aber schon Göpel, der Dreschmaschinen und Häckselmaschinen antrieb, es gab Putzmühlen, Rübenschneidemaschinen und Milchzentrifugen. Es wurde auch schon Kunstdünger verwendet. (Kali, Kalk)

Was die Viehwirtschaft betrifft, so wurde an Rindern die Simmentaler Rasse (rot- und gelbgescheckt) gezüchtet. Vor dem 1. Weltkrieg wurden auch Ochsen gemästet und nach Wien verkauft. Danach fehlte hierfür der Absatzmarkt. Bei durchschnittlich 18-20 Joch landwirtschaftlicher Nutzfläche hielt man in der Regel 2 Pferde, 4-5 Kühe, 2 „Kalben“ (Jungrinder) und 3 „Kaiwln“ (Kälber). Man hielt auch Schweine, Enten und Hühner. Gehandelt wurde meist Ware gegen Ware. Butter, Eier, Quark und Geflügel wurden dem Händler (oft Juden) gegeben und diese brachten dafür aus Stryj das wieder mit, was man auf dem Dorf in der Woche im Haushalt brauchte, z.B. „Naft“ (Petroleum), da man trotz vorhandener Lagerstätten von Erdöl und Erdgas noch keinen elektrischen Strom hatte. Auch Salz, Zucker, Leinwand u.a. Kleinigkeiten wurden so gehandelt.

Wurde eine Kuh oder ein Schwein verkauft, ging oder fuhr der „Wirt“ (wie man den Bauern nannte) selbst auf den Markt, verhandelte das Tier und brachte z. B. Viehsalz, Bandeisen und Lederzeug für die Wirtschaft mit. Es darf aber nicht verschwiegen werden, daß nicht alle in dieser Zeit in Galizien lebenden „Deutschböhmen“ solch einen wirtschaftlichen Stand erreichen konnten. In der Regel waren es die „erstgeborenen“ Söhne, die den Hof erbten. In den letzten Jahren konnte man einer Reihe von „zweitgeborenen“ ein Häusl aufbauen und etwas Feld kaufen.

Sie mußten aber meist wie alle anderen später geborenen Söhne ein Handwerk erlernen, damit sie und ihre Familie mit 2-6 Joch Feld leben konnten. Da bis zum Ende des 1. Welt­krieges kaum eine Familie unter 5-6 Kindern war, jede Witwe und jeder Witwer bestrebt waren, erneut zu heiraten und in der 2. Ehe (oft auch 3.) ebenso viele Kinder zu haben und das Eheschließungsalter sehr tief lag (in Machliniec zwischen 1871 und 1880 einzelne Männer mit 16 Jahren, einer sogar mit 15 ! und Mädchen: 8 mit 15 Jahren, 2 mit vollendetem 14. Jahr und eine mit 13 Jahren und 10 Monaten - (W. Kuhn: „Die jungen Deutschen Sprachinseln“) gab es ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bereits einen Bevölkerungsüberschuß.

Wer von den später geborenen Kindern nicht irgendwo einheiraten konnte, (auch da mußte man oft in großer Armut leben !) mußte sich in anderen Dörfern ein Unterkommen suchen (sich verdingen als Knecht oder Magd oder wieder auswandern; teils zurück nach Deutschland oder Österreich, teils  nach Wolhynien, in die Bukowina oder in die Dobrudscha.

Ab 1875, als Amerika erschlossen wurde, wurde die „neue Welt“ das Ziel - die Vereinigten Staaten, Kanada, Brasilien und vor allem Argentinien. So blieb es bis zum Beginn des 2. Weltkrieges. Oft war es eine Auswanderung „auf  Zeit“, um Geld zu verdienen und zurückzukehren.

 2.3   Die Rolle der Religion

 Die „Deutschböhmen“ der Machliniecer Sprachinsel, zu der auch Nowe Siolo gehörte, waren römisch - katholisch und sehr gläubig. Sie waren bis 1837 nach der 10 km entfernten polnischen Kirche in Kochawina eingepfarrt. Der Weg dahin war weit, er führte durch Morast, Wälder und Gestrüpp. Sie schmückten deshalb eine mächtige Eiche zwischen Machliniec und Izydorowka mit Heiligenbildern und trafen sich an Sonn- und Feiertagen nachmittags, um ihren Gottesdienst zu feiern. Sie zündeten geweihte Kerzen an und beteten den Rosenkranz..

Schon im Jänner 1837 richteten die „Deutschböhmen“ ein Gesuch an das Stryjer Kreisamt, ihnen bei der Genehmigung und Errichtung einer Kirche und einer Wohnung für den Pfarrherrn behilflich zu sein. Alle 4 Gemeinden, (Machliniec, Nowe Siolo, Kornelowka, Izydorowka) sollten einbezogen werden, die Kirche sollte in Machliniec stehen, da das etwa gleich von den übrigen Dörfern entfernt war.

Die Verhandlungen waren sehr schwierig, da ihre eigenen Mittel nicht ausreichten und die polnischen Gutsherren sehr zurückhaltend waren. (z.B. hat der Patronatsherr von Dobrzanski, auf dessen Grund Machliniec angelegt war, lediglich den Lehm - ohne Anfuhr - für den Kirchbau bereitgestellt! Der von Izydorowka stellte die Steine für die Grundmauern zur Verfügung - ebenfalls ohne Anfuhr - und die Herren von Nowe Siolo, Cywinski, und von Korneluwka, verweigerten die Unterstützung ganz, obwohl sie auch römisch-katholisch waren). 1842 waren alle notwendigen Bewilligungen eingeholt und eine kleine Kirche, aus wei­chem Holz erbaut, konnte eingeweiht werden. Im gleichen Jahr wurde der Friedhof in Machliniec für alle 4 deutschen Orte errichtet und eingeweiht für alle Deutschen. (der alte Friedhof). Erster Pfarrer war ein Verwandter des Gutsherrn von Izydorowka, namens Pietruski, der sich für seine deutsche Pfarre sehr bei den polnischen Edelleuten und den Behörden einsetzte. Spätere polnische Pfarrer fanden nicht den Kontakt zur deutschen Pfarrgemeinde, es gab sogar einige Versuche, sie zu polnisieren (z. B. 1909).

1859 erbauten die 4 Gemeinden zusammen in Machliniec eine Pfarrwohnung. Als Pfarrer kam Wladislaus Drozdowski. Obwohl Pole, war er ein tüchtiger Seelsorger. Da inzwischen die kleine Kirche aus weichem Holz zu faulen begann und auch zu klein war, bemühte er sich aktiv bei den Behörden und bei den polnischen Edelleuten um Unterstützung zum Bau einer neuen Kirche. 1860 begonnen, konnte sie am 20. August 1 862 eingeweiht werden. Schutzheiliger wurde Johannes Nepomuk, der Landespatron von Böhmen. 1861 wurde schon ein neuer größerer Friedhof eingeweiht. Die deutsche, römisch - katholische Kirche in Machliniec war für alle im Umkreis wohnenden „Deutschböhmen“ das Zentrum, das bei der Erhaltung des Deutschtums, der Sitten und Bräuche, ausschlaggebend war (1907 war ein neues Pfarrhaus eingerichtet).

Sonntags vor der heiligen Messe (Hochamt) fand ein feierlicher Umzug um die Kirche statt, dann kam die deutsche Predigt, anschließend das Amt, in dem die Gemeinde deutsche Kirchenlieder sang. Der römisch - katholische Glaube gab den Deutschböhmen Kraft und Zuversicht, dafür brachten sie große Opfer. 

3 Die geistige und kulturelle Entwicklung und das politische Leben

 3.1 Schwierigkeiten bei der Entwicklung einer eigenen Intelligenz

 Die in der Machliniecer Sprachinsel einwandernden „Deutschböhmen“ waren bei weitem nicht alle des Lesens und Schreibens kundig. Dies geht unter anderem aus einem Gesuch der Ansiedler zum Bau einer Kirche im Jahre 1838 hervor.

30 % der Männer wurden zwar namentlich aufgeführt, konnten aber nur mit einem Kreuz unterzeichnen. Ein mit ihnen eingewanderter deutscher Lehrer, namens Josef Blaha, wurde als sehr geschickter Mann gelobt, der auch alle Musikinstrumente spielen konnte. Auch er beherrschte wohl nur seine Mundart, wie aus einer mündlichen Überlieferung hervorgeht und hatte natürlich in der Zeit des schweren Anfangs weder materielle noch andere Möglichkeiten, die Kinder zu unterrichten. Geschickte und besser gebildete Einwanderer wie Christoph Mühlbauer, Ferdinand Köstler, Georg Menzel, Michel Weiß und Johann Fleißner machten sich zum Fürsprecher für die übrigen.

Bereits 1852 wurde in Machliniec eine deutsche Schule gebaut. Da jedoch die Lehrer von der Gemeinde selbst erhalten (bezahlt) werden mußten, war es schwer, die richtigen zu finden. Oft waren es Polen (wie bei den Pfarrern), die selbst schon Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache hatten. Die Kinder der umliegenden Dörfer gingen in der Regel in die polnische Schule, so auch die Kinder von Nowe Siolo. Einem späterem Studium waren auch dadurch Grenzen gesetzt, weil der nächste, für die Siedler in Betracht kommende Schulort, das fast 400 km entfernte Städtchen Bielitz war. Wer dort auch studierte, kam in den seltensten Fällen in der Heimatgemeinde zum Einsatz.

3.2   Das Leben in der Familie

Im Kreise der Familie verrichtete man die Arbeit, in ihr war man meist auf engem Raum auch in der freien Zeit zusammen. Die Kinder sagten noch häufig zu ihren Eltern und Groß­eltern nicht „du“ sondern „diaz“ (,,Ihr“), der Großvater war der „Harla“ und die Großmutter die „Wawa“, die Alten hatten das Sagen, die Jungen sich unterzuordnen.

Da das Deutschtum und vor allem der katholische Glaube erhalten bleiben „mußten“, blieb in den begrenzten Sprachinseln die Heirat zwischen Verwandten nicht aus. Weil auch noch möglichst Besitz bei Besitz bleiben sollte, wurden die Ehen oft gekuppelt und es gab Diskrepanzen zwischen den Eheleuten, die sich auf das Leben der Kinder nicht gut auswirk­ten.

Staat und Kirche waren nicht getrennt und die vom Pfarrer abgesegnete Ehe wurde nicht geschieden. (Was Gott zusammengefügt, soll der Mensch nicht trennen !) Kinderarbeit - oft  noch vor dem Schulbesuch - galt als selbstverständlich und die von Haus aus „jähzornigen“ Egerländer waren auch mit Strafen (einschließlich Prügel) schnell zur Hand. Sitten und Bräuche, wie sie vom Egerland und dem Böhmerwald überliefert waren, wurden in den meisten Familien streng eingehalten, Glaube und Gebet gehörten zum Leben. Schon durch die Auswanderung und die schweren Jahre des Anfangs erfolgte eine natürliche Auslese hinsichtlich der Gesundheit. Das durchschnittliche Lebensalter kann man auf etwa 65 Jahre ansetzen. Tuberkulose und bei Kindern Epidemien von Scharlach, Ruhr und Diphtherie waren bekannte Krankheiten. Ärzte waren nur in Zurawno, in der Bezirksstadt Zydaczow oder in Stryj. Der Weg war weit und die Kosten hoch, die selbst getragen werden mußten - man behandelte also nach Möglichkeit selbst und nach alten Hausrezepten. Bei Geburten half eine ungeprüfte Frau des Ortes.

Die sanitären Verhältnisse waren primitiv. Es gab keine Kranken- oder Altersversicherung bis 1939. Die Kinder hatten für die Eltern aufzukommen - soweit sie selbst etwas hatten! Bei den Bauern, den „Wirten“ wurde ein „Ausgedinge “ (Altenteil) je nach Größe der Wirtschaft festgelegt. Dieses sicherte den Eltern und Großeltern den Unterhalt, die junge Familie selbst mußte dadurch oft auf vieles Notwendige verzichten.

3.3   Das Leben in der Gemeinde

Dem Leben in der Gemeinde stand ein Schulze oder Richter vor, an den Gemeindeversammlungen nahmen aber alle Männer teil. Beschlüsse für das Wohl der Gemeinde wurden in der Regel gemeinsam gefaßt und gegenüber dem „Umfeld“ (den Ruthenen, Polen und Ju­den) trat man mit dieser Meinung auf. Die Männer beherrschten die Sprachen des „Umfelds“, die Frauen nur teilweise. Die größeren Vorhaben wie z. B. Bau eines Hauses, wurden gemeinsam und in gegenseitiger Hilfe realisiert. Der Bauherr brachte das Material zum Platz, dann fügten die Männer die Balken zu Wänden zusammen und stemmten die Falze aus. Kam es dann zum „Heben“, (Aufstellen der Holzgerüste) waren oft bis 50 Männer beteiligt. Der Bauherr hielt die Männer dafür in der Zehrung (Essen) frei, wobei alle Beteiligten dem Bauherrn Butter, Eier und Gebackenes gaben, damit es dem Bauherrn nicht zu teuer wurde. Anschließend gab es ein „Hebhöia“ (Hehebier). Gemeinsam wurden dann die Gerüstwände mit Lehmschlag ausgefüllt.

Vereine waren: Die Ortsgruppe des Verbandes der deutschen Katholiken mit einer reichhaltigen Dorfbücherei, ein landwirtschaftlicher Verein und eine deutsche Raiffeisenkasse mit Sitz in Kornelowka. Die Mitgliedschaft beruhte auf freiwilliger Grundlage.

3.4    Kultur und Sitten

3.4.1 Einrichtung der Häuser und Kleidung

Die Einrichtungsgegenstände wurden von den Handwerkern der Deutschböhmen vorwiegend selbst gefertigt, die Formen haben sich im Laufe der Jahre sehr geändert und das Aussehen ist einfacher geworden. Möbel im reinen Egerländer Stil, wie schön bemalte Truhen und Schränke, waren selten geworden. Die Einrichtung der Häuser und Wohnungen wurde über Generationen vererbt. Auch die Kleidung wurde im eigenen Dorf, zum Teil auch selbst gefertigt. So wurden z. B. in den Wintermonaten Holzschuhe und Pantoffel für die gesamte Familie durch Vater und Großvater angefertigt um die „Teueren“ (Lederschuhe) für die Festtage und den Kirchgang zu schonen. Oft gab es für 2-3 Geschwister nur ein Paar Lederschuhe. Sie wurden abwechselnd getragen

Eine eigentliche Tracht war nicht mehr im Gebrauch. Alte Frauen trugen noch den „Pciker“ eine kurze Jacke, die um die Hüften eng anlag und einen „Kränzkidl“ (Kranzkittel) mit dem „Fürta“ (der Schürze) darüber. Die jüngeren Frauen und Mädchen trugen einfache Hängekleider aus Leinwand, bei denen oft das Mieder und der Rock aus unterschiedlich gemusterten Stoff bestand. Das Kleid war ärmellos, die langen Ärmel des Hemdes reichten aus dem Mieder hervor. Zur Arbeit wurde ein langes „Fürta“ darüber gezogen, das oben geschlossen war. Die Männer hatten keine besondere Kleidung mehr.

3.4.2   Brauchtum und Sitten

Der römisch - katholische Glaube war Grundlage des Brauchtums und der Sitten, wobei die Überlieferung aus der alten Heimat des Böhmerwaldes und des Egerlandes noch bis zur Auswanderung eine große Rolle spielte. Es blieb jedoch nicht aus, daß auch das ukrainische und polnische Umfeld mit einfloß. Das Kirchenjahr begann mit dem Advent. In dieser Arbeit können jedoch nur einige Beispiele für das Leben und Treiben in den Dörfern um Machliniec gegeben werden.

Wenn das frohe Fest der „Kirwa“ (Kirchweih) - 3. Sonntag im Oktober - vorbei war, wurden am 25. November „St. Katharina“, die Tanzvergnügen eingestellt. Die Dorfjugend traf sich im Winter in den „Rockenstuben“. Die Mädchen haben gesponnen, gestrickt und genäht, die Burschen kamen auch und drehten aus Werg (Abfälle bei der Flachsherstellung) Pferdeleinen, Stränge und Stricke. Man unterhielt sich, sang und machte Spiele. Vor der „Fosnat“ (Fastnacht) fand dieses Vergnügen seinen Abschluß.

Am 24. Dezember, Weihnachten, wurde kein Frühstück eingenommen, Mittags gab es nur Fastenspeise. (fleischlose Kost.) Man stellte eine Krippe auf (sie stellte die Geburt Jesu dar) und am Abend gab es ein Festessen (ohne Fleisch), Schwammersuppe (Pilzsuppe), Hering, Apfelstrudel, Huzel (gedörrte Birnen und Pflaumen). In den letzten Jahren gab es auch Hulubce und Pirogen (ukrainische Gerichte).

Am Heiligabend wurden die Tiere besonders gefüttert. Vom Festessen der Menschen erhielten sie kleine Leckerbissen. Um 24 Uhr gingen die Erwachsenen zur „Mette“ in die Kirche. (Feier der Geburt Jesu). Es wurde der Christbaum „angeputzt“ und darunter für die Kinder die Geschenke hingelegt. Sie wurden vom „Christkindl“ gebracht.

„Fosnat“ (Fasching) war wohl die ausgelassenste Zeit des Jahres. Sie begann vor dem 1. Weltkrieg schon am „tollen“ Donnerstag mit Tanz, nach dem 1. Weltkrieg war an diesem Tage meist das Ende der „Rockenstube“, das „Rockenschoidl“. Faschingsamstag war nachmittags Schultanz für die Kinder. Am Samstag tanzten die jungen Leute im Wirtshaus, am Sonntag die älteren (vorwiegend Ehepaare). Die jungen Leute kamen vor dem 1. Weltkrieg am Fastnachtmontagvormittag zu einem Maskenumzug zusammen. Die Burschen zogen von Hof zu Hof und trieben allerlei Schabernack. Sie erhielten vom „Wirt“ dafür meist Speck und Eier. Am Faschingdienstag erreichten die Feierlichkeiten ihren Höhepunkt. Da begann der Tanz schon nach dem Mittagessen. Die Jüngeren tanzten in einer größeren Bauernstube, die Älteren im Wirtshaus. Bei dieser Gelegenheit wurden von den Mädchen die neuesten Kleider vorgeführt. Ende des Tanzes war pünktlich um 23.30 Uhr, denn da läutete man vom Kirchturm die Fastenzeit ein, sie wurde streng eingehalten.

Palmsonntag (Sonntag vor Ostern) wurden in der Kirche Weidenkätzchen (Palmen) geweiht und am Nachmittag auf die Feidränder gesteckt. Sie sollten eine gute Ernte bringen. Gründonnerstag um 9 Uhr „starben“ die Glocken. An Stelle des Läutens zogen die „Ratschenboum“ durchs Dorf. - (Ratschenboum = Schuljungen mit Klappern und Ratschen, die früh, mittags und abends an Stelle des Glockengeläuts „ratschten“.) Gründonnerstagsnachmittag, nach dem 1. Mal Ratschen, gingen die Jungen in die Häuser und bekamen dort Geschenke, Eier und Geld. In der Kirche hatten die Ministranten in dieser Zeit Holzklappern, statt Handglocken. Gründonnerstag wurden meistens auch die Häuser und Wohnräume mit Weißkalk getüncht  Karfreitag war ein ruhiger Feier- und Fasttag, man ging in die Kirche und betete am „Heiligen Grab“. Karsamstag wurde vom Pfarrer Wasser und Holzkohle geweiht. Jeder konnte sich ein Fläschchen Weihwasser mit nach Hause nehmen. Es schützte vor Krankheit und Unglück. Beim „Gloria“ in der Samstagsmesse um 9 Uhr „erwachten“ die Glocken wieder. Nach dem Gottesdienst ging der Pfarrer in die Häuser und weihte Haus und Speisen.

Ostersonntag wurden den Kindern Ostereier gegeben, dann ging man zum Hochamt und am Nachmittag wurden Verwandte besucht. Sonntag nach Ostern, am „weißen Sonntag“ „fexierten“ (neckten) die Burschen die Mädchen. In der Nacht vorher weißten sie ihnen die Fensterscheiben und Türen. Die Mädchen mußten zeitig aufstehen und alles abwaschen, sonst wurden sie ausgelacht.

Zum 1. Mai wurde von den Bauern ein rechteckiges Stück Rasen vor die Stalltür gelegt, „damit die Hexe den Kühen nicht die Milch aussaugt und diese dann statt Milch, Blut geben“. Anschließend wurden die Hexen „asplescht“. Der Bauer ging mit der Pferdepeitsche drei Mal um sein Grundstück und knallte mit ihr, um die Hexen zu vertreiben. Die Burschen brachten den Mädchen, die sie besonders verehrten, „Maja“ (Maibäumchen, kleine geschmückte Birken.). Am 16. Mai war das Kirchenfest in Machliniec zu Ehren des Schutzpatrons „St. Johannes Nepomuk“. Früh wurde das Hochamt mit 2 auswärtigen Geistlichen und dem eigenen Pfarrer gefeiert und am Nachmittag eine Prozession zur Statue des Heiligen im oberen Dorf veranstaltet. Diese Statue hatte ein Einwanderer, namens Schneider, selbst aus Holz geschnitzt. Er hatte auch die Figuren der Heiligen Petrus und Paulus für die Kirche angefertigt.

Pfingsten wurde von den Hütebuben das Vieh früh sehr zeitig ausgetrieben und geweidet. Denn wer zuletzt kam, der wurde als „Pfingstschwoanz“ (Pfingstschwanz) verspottet. Pfingstsonntag war ebenfalls ein großer Feiertag. Als besondere Mehlspeise wurden „Köichla“ (Pfannkuchen) gebacken.

Fronleichnam -2. Donnerstag nach Pfingsten - wurden in Machliniec 4 Altäre aufgestellt, zu denen von der Kirche aus in feierlicher Prozession gezogen wurde. Die Kirche wurde mit Birken geschmückt und kleine Kränzchen von den Kirchgängern zum Weihen aufgehängt. Der Schmuck blieb eine Woche in der Kirche, dann holte man die Zweige von den Birken und Kränzchen heim. Sie sollten vor dem Gewittereinschlagen schützen und Glück bringen. Je länger die Zweige, desto länger wächst der Flachs - sagte man.

Zur Getreideernte holte man aus der Umgebung ukrainische Männer, Frauen und Mädchen zum Schneiden des Getreides (vorwiegend aus den Karpaten.) Sie kamen in bunten Trachten und sangen bei der Arbeit. Geschnitten wurde mit der Sichel und das Getreide „aufgemannelt“, d. h. in Hocken mit je 31 Getreidegarben aufgestellt. Wenn der „Schnitt“ beendet war und das Getreide eingefahren, wurde der „Oschnied - Tanz“ (Erntetanz) abgehalten.

Die „Kirwa“ (Kirchweih), am 3. Sonntag im Oktober, war ein Fest aus der alten Heimat. Es wurde umfangreich mit Putzen, Backen und Kochen vorbereitet und 2 Tage gefeiert. Beim Tanzen wurden wieder die neuesten Kleider vorgeführt Allerheiligen, am 1. November, wurde mit einer Prozession auf dem Friedhof begangen, ebenso Allerseelen, am 2. November. Die Gräber wurden mit Kränzen geschmückt und Ker­zen angezündet. Abends aß man dann Weißbrot mit Milch.

Einige Beispiele zur Art des Essens:

Im Sommer wurde vorwiegend als Frühstück Milchsuppe aus süßer oder saurer Milch mit Brot oder Kartoffeln gegessen. Zur Zwischenmahlzeit, dem „Watschina“ gab es Brot mit saurer oder süßer Milch. Mittags gab es Suppe und verschiedene Mehlspeisen wie Apfelstrudl, Köichla (Pfannkuchen), Wuchta (semmelartiges Weißgebäck), Riwanzla (Gußdalken, Teig aus Mehl und Schmettn in Schmalz gebacken, Getzn oder Totsch (Teig aus geriebenen rohen Kartoffeln mit Milch und Mehl.) Sonntags wurde früh abgekochte süße Vollmilch, Kaffee oder Kakao getrunken und Wuchta gegessen, manchmal auch Eier. Mittags wurden Fleischsuppe und Braten vom Geflügel oder  Schwein gegessen, oft mit Kraut und rohen Knödeln. (Bäimischen Knie(d)lan). Im Winter kochte man oft an Stelle der Milchsuppe eine Einbrennsuppe und mittags Bohnensuppe mit Milch oder Sahne und Kartoffelknödel. In der Woche wurde oft noch am Donnerstag Kraut gekocht mit Knödeln und Rauchfleisch. Ukrainische Gerichte, die in den letzten Jahren übernommen wurden, waren vor allem Holubze (in Weißkrautblättern eingerollte und gekochte Graupen oder Reis mit Zwiebel und Speck), sie wurden auch zum Braten gegessen; Pirogen, mit Quark oder Sauerkraut oder Bohnen und gekochten Kartoffeln gefüllt. Der Teig wurde aus Mehl und Wasser bereitet und Borscht, eine Gemüsesuppe  mit Rauchfleisch und roten Rüben, mit Sahne abgezogen. Beliebt war zur Jause Preßwurst oder geräuchertes Fleisch mit Essig und Brot, das hatte man noch aus Böhmen überliefert bzw. übernommen. Brot wurde von den Frauen selbst, im eigenen Backofen, gebacken.

Hausnamen

Aus der alten Heimat des Böhmerwaldes und des Egerlandes hatte man die Sitte beibehalten, verschiedene. Familien nicht mit dem Familiennamen, sondern mit einem Haus- oder Spitznamen zu nennen. Diese Namen ergaben sich oft aus dem Zusammenfassen der Vornamen von Generationen, z. B. „Fronzkarltone“ für Anton Köstler, (Franz, Karl, Anton) oder nach den Vornamen dessen, der in Galizien einwanderte, z. B. „Wuferla“ von Wolfgang Keim, dessen männliche Nachkommen, der  nach Machliniec eingewandert war.

Bernhard Böhm wurde „Schierzenstanesleopoldbernhard“ genannt. Schierz - die Einwanderer schürten nachts Feuer im Urwald gegen die Wölfe, die es dort noch reichlich gab. Der Großvater hieß Stanislaus, der Vater Leopold und er Bernhard. Die Haus- oder Spitznamen bezogen sich sowohl auf Namen als auch auf Eigenheiten, Tätigkeiten, Gewohnheiten oder Eigenschaften. Es gab aber auch Haus- oder Spitznamen, die dazu angetan waren, andere Leute in Mißkredit zu bringen, ja solche, die einer persönlichen Beleidigung nahe kamen.

 4    Einige Ausführungen zur Rücksiedlung in den deutschsprachigen Raum und zur weiteren Entwicklung

 4. 1  Der Vertrag über die Demarkationslinie“ zwischen Hitler und Stalin und die 1. Vertreibung“ 1939/40 (auch Umsiedlung genannt)

 Bereits im 1. Weltkrieg und in den Folgejahren waren die von Deutschen bewohnten Gebiete Galiziens Kampfplatz und wurden mehrmals von den Fronten und den rivalisierenden Parteien und Völkern überrollt. Nachdem man die Folgen und Schäden halbwegs überwunden hatte, drohte der 2. Welt­krieg. Das Gebiet Galizien gehörte nach dem Zerfall der Österreichisch-Ungarischen Monarchie am Ende des Weltkrieges zur Republik Polen. So mußten auch die Männer und Burschen im wehrfähigen Alter im polnischen Heer dienen und ab 01.09.1939 gegen Hitlerdeutschland kämpfen.

Schon vor diesem 18 Tage währenden Feldzug des faschistischen Deutschlands gegen Polen führten Hitler und Stalin Verhandlungen und „regelten“ ihre Interessen und Einflußsphären im so genannten Nichtangriffs- und Freundschaftsvertrag -  wie erst später bekannt wurde.

Hitler nahm den gesamten Teil des westlichen Polens und Stalin erhielt das Gebiet östlich der so genannten Demarkationslinie vom Tupkow-Paß in den Waldkarpaten, westlich von Przemysl über Brest - Litowsk, Ostrolenka bis nach Fischhorn im damaligen Ostpreußen, verlaufend.

Diese Vereinbarung sah vor, alle Deutschen aus diesen Gebieten hinter der genannten Linie auszusiedeln und „heim ins Reich“ zu holen, nachdem die Deutschböhmen 116 Jahre - über mehrere Generationen - dort gewohnt hatten. Die Deutschböhmen aus dem Gebiet von Machliniec, also auch die aus Nowe Siolo, wurden in zwei Transporten aus ihrer nun schon angestammten Heimat vertrieben 1

Der 1. Teil, Frauen und Kinder bis zu 14 Jahren, wurden mit dem, was sie tragen konnten. am 6. Januar 1940 bei strenger Kälte auf dem Bahnhof in Kochawina eingeladen und auf Umwegen mit Zwischenstationen in einer mehrere Wochen dauernden Fahrt nach Tetschen-Bodenbach (jetzt Dezin) und in andere Orte in das damalige, von Hitler schon besetzte Sudetenland gebracht und in ehemaligen Schulen in Massenquartieren, untergebracht.

Die Männer und Burschen über 14 Jahre konnten einen Ackerwagen mit Pferdegespann beladen (wer einen hatte !). Sie folgten zwei Wochen später bei Eis und Schnee in einen Wald in der Nähe von Lodsch (Von Hitler war diese Stadt in Litzmannstadt umbenannt worden ). Dort mußten sie ihre Pferde abspannen. Diese wurden gemustert und - entgegen vorherigen Versprechungen - zur deutschen Wehrmacht eingezogen. Die Ackerwagen mit den paar Habseligkeiten wurden dort in Reih und Glied unter freiem Himmel aufgestellt und die Männer und Burschen auch in die Lager zu ihren Angehörigen geschickt. Vor der Aussiedlung war ihnen zugesagt worden, daß sie ihrem in der Ukraine zurückgelassenen Besitz entsprechende Höfe und Grundstücke in Deutschland erhalten. Sie mußten jedoch feststellen, daß das Lüge war. Vom Januar bis Juni 1940 waren sie in verschieden Massenquartieren. Die sanitären Bedingungen waren äußerst schlecht, es lebten 8 - 10 Familien in einem Raum, das Klima und die Verpflegung war ungewohnt. So kam es, daß Kinder  Frauen und auch Männer gerade unter diesen Umständen erkrankten und starben. Als man im Juni 1940 begann, schubweise diese Familien nicht, wie versprochen, in Deutschland - sondern in Polen (Wartheland) anzusiedeln, waren bereits große Lücken entstanden. Die Deutschen aus den Dörfern um Machliniec wurden vorwiegend im Gebiet von Kalisch „angesiedelt“. Das heißt, sie wurden vor ein polnisches Grundstück gefahren, mußten zusehen, wie man die polnischen Eigentümer vertrieb (die jüngeren zur Arbeit nach Deutschland, die älteren mußten zusehen wo sie blieben) und wurden dann als Eigentümer eingesetzt. Innerhalb weniger Minuten mußten die polnischen Familien Haus und Hof verlassen, so daß im Falle der Familie Schön noch der Brotteig angerührt war und der polnische bettkranke Großvater zurückblieb! Als man einige Wochen später die Ackerwagen aus dem Walde bei Lodsch holen wollte, stellte man fest, daß sie völlig leer ,also ausgeraubt und geplündert waren. So hatten alle nur das aus ihrer Heimat, was sie hei sich hatten.

Vom Juli 940 bis zum 18. Januar 1945 versuchte man, sich in der neuen Umgehung einzurichten und trotz Krieg, auch einzugewöhnen. Viele Männer und Burschen wurden zur Wehrmacht, dem deutschen Heer, eingezogen und die Frauen und Kinder mußten alleine wirtschaften. Vertriebene Polen, die nicht nach Deutschland gebracht worden waren, baten bei den neuen „Eigentümern“ um Aufnahme als Knechte, Mägde und Landarbeiter und arbeiteten fürs Essen und ein kleines Entgelt.

 4.2   Die 2. Vertreibung 1945

 Als im strengen Winter 1944/45 die Ostfront immer näher rückte, mußten die deutschen Siedler ein 2. Mal alles verlassen. Auf Weisung des deutschen Einsatzstabes beluden sie wieder ihre Ackerwagen und fuhren vom 18. Januar 1945 bis zum 16. Februar 1945 vor der Front, mitten in Militärtransporten, bei Eis und Schnee mit ihren Pferden und Wagen in Richtung Westen.

Am 16. Februar 1945 kamen die Familien des Böhm Bernhard, Köstler Franz, Köstler Anton und Schön Josef in Stumsdorf an, wo sie blieben und in Bauernhöfen notdürftig und nicht gerne gesehen, untergebracht wurden. Die übrigen Deutschböhmen, die auch im Kreis Kalisch angesiedelt waren, wurden vorwiegend auf die Kreise Bitterfeld und Wittenberg verteilt  So kam es, daß ein Teil der Deutschböhmen aus Galizien, im April 1945 das Ende des 2. Weltkrieges im damaligen Sachsen/Anhalt erlebte.

Trotz Hunger, Not und Elend in den ersten Nachkriegsjahren versuchte die Mehrheit der Deutschböhmen aus Galizien mit Erfolg einen 3. Anfang zu machen. Sie siedelten nach der Bodenreform im Herbst 1945 in verschiedenen Gebieten der damaligen sowjetischen Besatzungszone und wurden Neubauern, wanderten in andere Besatzungszonen und auch nach Übersee aus, wo sie Unterstützung von vor 1939 aus Galizien ausgewanderten Angehörigen erhofften. Nahezu alle haben sich in diesen 45 Jahren wieder einen ansehnlichen Besitz erarbeitet!