Quelle : Bernhard Böhm
Den egerländischen und böhmerwäldlerischen Siedlern, welche 1823 Machliniece und etwas später Kornelowka und Nowe Siolo besiedelt hatten, war es infolge raschen Bevölkerungswachstums gelungen, in der 2. Generation 40 Jahre später nordwestlich von Nowe Siolo eine weitere Siedlung, Drösseldorf, aufzubauen. Drösseldorf war bis dahin ein ganz kleiner Ortsteil mir Mazuren-Familien von Wola-Oblaznica, einer angrenzenden ukrainischen Gemeinde. Da es für die Mazuren keine Weiterentwicklung gab, hatten diese ihre Existenz aufgegeben und waren weiter gewandert. Diese Gelegenheit war von den egerländischen Familien aus den genannten Dörfern genutzt worden, und sie hatten für sich eine neue Heimat gegründet. Zusätzlicher Grund und Boden wurde von den umliegenden Großgrundbesitzern aufgekauft. Da dennoch nur geringe Flächen zur Verfügung standen, war an einen landwirtschaftlichen Aufschwung nicht zu denken und so war Drösseldorf eine rein handwerkliche Siedlung, vor allem siedelten hier Zimmerleute (Waldarbeiter). Die Bauten wurden alle selbständig errichtet und bestanden aus Lehm und Holz.
Drösseldorf ist weiterhin ein Ortsteil von Wola-Oblaznica geblieben, es gab aber bald eine deutsche Schule, wo die Kinder der deutschen Siedler unterrichtet wurden.
Und nun eine Aufstellung der Familien, die 1939/40 durch die Folgen des 2. Weltkrieges ihre Heimat verlassen mußten:
| Bauer | Anton | Langenberger | Josef |
| Böhm | Edmund | Langenberger | Ignatz |
| Dörfler | Ladislaus | Laub | Edmund |
| Dobner | Maria | Laub | Karl |
| Engelmann | Edmund | Peternak | Josef |
| Engelmann | Johann | Peternak | Jakob |
| Engelmann | Reinhold | Persak | Ignatz |
| Engelmann | Wenzel | Persak | Maria |
| Goldscheidt | Josefa | Persak | Anna |
| Griedl | Josef | Reiter | Josef |
| Griedl | Thadeus | Reiter | Leopold |
| Griedl | Josef | Reiter | Anna |
| Griedl | Johann | Sokolowski | Klara |
| Greta | Katherina | (Schmidt) | |
| Greta | Maria | Sollner | Johann |
| Hörl | Josef | Sollner | Leopold |
| Keim | Franz | Walter | Lorenz |
| Krauß | Wenzel | Wagner | Elisabetha |
| Kuba | Mathias | Wagner | Johann |
| Kuba | Katharina | Wagner | Karl |
| Langenberger | Josef | Walter | Elisabetha |
| Langenberger | Ignatz | Weida | Johann |
| Langenberger | Florina | Wagner | Stanislaus |
Aus der Geschichte
der deutsch-katholischen Privat-Volksschulen in Galizien
Siegmund Kolmer (Zeitweiser: 1985)

Schule in Drösseldorf
Drösseldorf
Im Laufe der Jahrzehnte bildete sich in der Sprachinsel Machlinitz (Machliniec) ein Überschuß an Menschen, der in den eigenen Orten kein Auskommen mehr finden konnte. Einem glücklichen Umstand war es zu verdanken, diese überzähligen Landsleute in der näheren Umgebung unterzubringen, nachdem sich der deutschevangelische Gutsbesitzer Albrecht Seelieb von Obiaznica, Kreis Zydaczow (Schydatschow gesprochen), 1868 den Entschluß faßte, etwa 100 Joch (l Joch = 0.575 ha) an die drei Brüder Weidl aus dem benachbarten Kornelowka zu verkaufen, die danach das große Grundstück parzellierten und an Siedlungswillige weiter veräußerten. Die neue Ortschaft, die politisch zur ruthenischen (= ukrainischen) Gemeinde Obiaznica gehörte, erhielt den offiziellen polnischen Namen Wola Oblaznicka. Die Deutschen nannten sie Drösseldorf, ursprünglich ein Spottname, weil bald nach der Gründung eine Rauferei vorgekommen sein soll, während der Streithähne ihre Gegner an der Gurkel faßten und richtig drosselten (würgten).
Weil die Wirtschaften gleich von Anfang zu klein waren (etwa 2 Joch), zogen zwischen 1890 und 1900 mehrere Häusler fort, um sich in einer anderen Gegend eine bessere Lebensgrundlage zu schaffen. An ihre Stelle kamen Polen und Ukrainer, eine bedauerliche völkische Verschiebung, politische Auseinandersetzungen bildete. Die verbliebenen Deutschen waren seit der Gründung ihrer Siedlung stets gezwungen, durch Nebenverdienste, meist als Zimmerleute und Waldarbeiter, das Einkommen für den bescheidenen Unterhalt der Familien zu verbessern. Trotz der wirtschaftlichen Sorgen blieben die Drösseldorf er ein fröhliches und unbekümmertes Völkchen, das die Musikanten für alle Feste in der ganzen deutschen Umgebung stellte. Allseits bekannt war die Kapelle der Familie Langenberger, in der drei Generationen - Großvater, Vater und Sohn - aufspielten.
Mit Unterstützung des verehrten Gutsbesitzers Seelieb konnten sich die Leute einen Hilfslehrer halten, der die Kinder zunächst von Haus zu Haus gruppenweise unterrichtete. In der später eingerichteten Behelfsschule dauerte der Unterricht nur bis 1910, weil zu der Zeit der k. u. k. Bezirksschulrat - ein Pole - das Gebäude wegen angeblicher Baufälligkeit schließen ließ. Dem Hilfslehrer Josef Spitzner untersagte er, die Kinder weiter zu unterrichten. Der Versuch, eine staatlich-polnische Schule einzurichten, scheiterte an der Standfestigkeit der Eltern, die nicht bereit waren, ihre Kinder einem völkisch fremden Lehrer zu überlassen. Die Schulbehörde verfolgte nämlich das Ziel, mit Hilfe der öffentlichen Schule die Polnisierung der 40 deutschen Kinder und damit auch die langsame Entnationalisierung der ganzen Siedlung einzuleiten. Die Deutschen durchschauten diese Intrigen und wandten sich in ihrer Not an den Bund der christlichen Deutschen in Galizien, kurz Bund genannt, und an den Deutschen Schulverein in Wien um Beistand, der ihnen von beiden Seiten auch versprochen wurde. Unter der Leitung des Schulobmannes und früheren Privatlehrers Josef Spitzner faßte man den Beschluß, sofort mit dem Bau einer eigenen Schule zu beginnen. Der Gutsbesitzer Seelieb förderte diesen Plan und schenkte der deutschen Schulgemeinde einen geeigneten Bauplatz. Mit höchster Aufopferung und beispielhaftem Fleiß gingen alle Leute, auch viele aus den deutschen Nachbardörfern, an die Arbeit. Die Gemeinde Machlinitz stellte an manchen Tagen bis zu 15 Fuhrwerke unentgeltlich zur Verfügung, um das Baumaterial heranzuschaffen. Das Holz und die Steine wurden oft gleich von den Wagen herab verarbeitet, und so kam es, daß trotz des schlechten Wetters innerhalb von vier (!) Monaten das für damalige Verhältnisse schmucke Schulhaus fertig gestellt werden konnte. Durch die hohen Eigenleistungen war es möglich, die Baukosten - 5000 Kronen - niedrig zu halten. Davon sammelten die Ortseinwohner 400 Kronen unter sich, der Bund bewilligte einen Zuschuß von 200 Kronen und der Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA) spendete 117 Kronen. Den Rest der Schulden wollte der Deutsche Schulverein in Wien übernehmen.
Die Einweihung der Schule fand am 10. September 1911 statt. Dieser Tag war ein Freudentag für die Deutschen der ganzen Sprachinsel Machlinitz. Obwohl das Wetter viel zu wünschen übrig ließ, war die Beteiligung sehr groß. Von außerhalb waren erschienen Hanns Roland und Hans Linnert als Vertreter der Bundesleitung in Lemberg, der aus dem Egerland stammende Tierarzt Josef Schmidt mit seiner Frau und Kindern, der ukrainische griechisch-katholische Pfarrer aus Oblaznica, der Gutsbesitzer Seelieb und Lehrer Bernstein aus Teresowka. Natürlich kamen auch sehr viele Landsleute aus der näheren Umgebung. Ob die amtlichen Spitzen der k. u. k. - (= polnischen) Behörden - Bezirkshauptmann und Bezirksschulrat - sich zu diesem Festakt auch einfanden, wurde nirgends vermerkt. Wahrscheinlich paßte ihnen der Bau einer deutschen Schule nicht in die geheimen Pläne zur Errichtung eines Königsreiches Polen. Fürwahr traurige Zustände im damaligen Kaiserreich Österreich!
Der feierliche Weiheakt wurde um zwei Uhr nachmittags von Pfarrer Anton Schwarz aus Machlinitz vorgenommen. Anschließend hielt der Geschäftsführer des Bundes Hanns Roland die Festrede, in der er besonders hervorhob, daß die deutsche Schule eine Pflegestätte deutscher Art und Sitte und deutscher Kultur und Gesinnung sein müsse. Um diese Ziele zu erreichen, sei eine verständnisvolle Zusammenarbeit des Lehrers mit den Eltern erforderlich. Ein besonderer Dank wurde Josef Spitzner, dem früheren Hilfslehrer und gegenwärtigen Vorsitzenden der Schulgemeinde ausgesprochen, ohne dessen unermüdlichen Einsatz, der Bau und die Fertigstellung nicht so schnell hätte durchgeführt werden können. Der Redner schloß mit den Worten: "Möge die Schule die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllen, möge deutscher Geist und Gottes Güte in ihr walten !"

Die Egerländer Musikantenfamilie Josef
Langenberger aus Drösseldorf
Hierauf übergab der Festredner dem vom Bund angestellten Lehrer Roman Sajda die Schlüssel und sprach dabei den Wunsch aus, möge die Arbeit in der Schule reiche Früchte bringen. An den Seelsorger und Religionslehrer richtete er die Bitte, seinerseits die Schule zu beschützen und für ihre Erhaltung einzutreten. Der Pfarrer wandte sich in seiner Antwort besonders an die Eltern und ermahnte sie, für einen regelmäßigen Schulbesuch Sorge zu tragen, damit im Unterricht auch entsprechende Erfolge erzielt werden können.
Für die Schulkinder gab es eine große Überraschung. Die Bundesleitung hatte für alle 48 zukünftigen Schüler die notwendigen Bücher, Hefte und Schreibmittel zur Verfügung gestellt, die der Geschäftsführer einzeln verteilte. Mit strahlenden Augen und dankbarem Herzen nahmen die Kinder die unverhofften Geschenke entgegen.
Nach einer Pause, in der die freundlichen Egerländer ihre Gäste mit Speisen und Getränken bewirteten, hielt Hans Linnert eine von nationaler Begeisterung durchglühte Rede, die mit großem Beifall aufgenommen wurde. Die Einweihung der Schule war ein außergewöhnlicher Feiertag, der das völkische Selbstbewußtsein der Leute stärkte und einen Markstein in der Geschichte der kleinen Siedlung bildete.
Nach dem eindrucksvollen Fest begann der Alltag in der Schule, es galt jetzt, die großen Rückstände im Unterricht nachzuholen. Lehrer Sajda war nur einige Monate an der Schule, er wurde nach Kontrowers-Isidorowka versetzt, wo auch eine Schule gebaut werden sollte. Im Dezember 1911 übernahm Berta Kossek die Stelle und unterrichtete bis zu den Sommerferien 1912. Über ihre Herkunft, Ausbildung und weiteren Lebensweg sind keine Unterlagen vorhanden. In einem Beitrag des Tierarztes Josef Schmidt, der im Kalender des Bundes der christlichen Deutschen in Galizien für das Jahr 1913 erschienen war, hieß es: ,,Die Schulleiterin Berta Kossek hat bereits vorzügliche Unterrichtserfolge aufzuweisen, sie ist gewiß eine der tüchtigsten Lehrerinnen Deutsch-Galiziens."
Im Juli 1912 wurde die Stelle mit folgendem Angebot im Deutschen Volksblatt in Lemberg zur Besetzung ausgeschrieben: 900 Kronen (wahrscheinlich Jahresgehalt, der Verf.), freie Wohnung und ein Joch Schulgarten. Über den Zeitpunkt der Stellenbesetzung und über die Lehrperson kann nichts Genaues ausgesagt werden. Nachfolgerin soll die Lehrerin Emma Krieger gewesen sein. Im Buch ,,Deutsche Lehrerbildung in Bielitz", herausgegeben von der Karl-Volkmar-Stoy-Gemeinde Stuttgart, wird unter den Maturantinnen 1913 der Städtischen Lehrerinnenbildungsanstalt Emma Kriegler aus Bielitz aufgeführt. Ob es sich hier um die gleiche Person handelte, konnte nicht ermittelt werden. Es ist auch nicht möglich, über die letzten Jahre vor dem ersten Weltkrieg bestimmte Aussagen zu machen. Mit Gewißheit weiß man nur, daß es in jener Zeit wegen schlechter Witterung - wochenlanger Regen - einige Mißernten gab. Die Erträge von den kleinen Wirtschaften reichten nicht einmal für eine dürftige Ernährung der Familien und für das Saatgut aus. Die Abgaben für die Schule, die im Frühjahr 1914 von 54 Kindern besucht wurde, brachten den schwer geprüften Einwohnern noch zusätzliche Verpflichtungen. Dazu kamen noch 2500 Kronen Bauschulden, die von der Schulgemeinde zu tilgen waren. Ohne Hilfe der Schutzorganisationen war eine Bereinigung dieser Hypothek unmöglich.
Mit Erschütterung nahmen die Deutschen von Drösseldorf und der ganzen Nachbarschaft die Nachricht von der Ermordung des Gutsbesitzers Albrecht Seelieb im Dezember 1912 auf. Der hilfreiche Freund und Gönner der Ortsschule wurde nachts in seinem Hause überfallen und so schwer verletzt, daß er vor seinem Tode über die Täter keine Aussagen mehr machen konnte. Es handelte sich um einen Raubmord. Obwohl es viele Hinweise gab, wurde das Verbrechen wegen der oberflächlichen Untersuchungen nicht aufgeklärt. Für die deutsche Schulgemeinde hatte sich der auf so tragische Weise umgekommene Landsmann unvergeßliche Verdienste erworben.
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Der Ausbruch des l. Weltkrieges 1914 setzte nach dem Einfall der Russen dem Schulbetrieb für viele Jahre ein Ende. Es gab keine deutschen Lehrer, alle wurden zum Kriegsdienst eingezogen. Während dieser Zeit hielten die Eltern zusammen, schickten ihre Kinder nicht in die polnisch-ukrainische Schule in Oblaznica und retteten damit den Fortbestand der deutschen Privatschule. Erst Ende November 1920 konnte die Stelle mit Oberlehrer Jakob Reinpold, der so lange in russischer Gefangenschaft war, besetzt werden. Darüber waren die Eltern sehr glücklich, denn über sechs Jahre wuchsen die Kinder ohne Unterricht auf. Allen war aber klar, daß dieser bewährte Erzieher nicht lange im Ort bleiben würde. Nach dem Ende des Schuljahres 1922/23 kehrte er an die Roseggerschule in Mariahilf zurück, die er vorher schon seit der Einweihung 1910 als Schulleiter führte. Sein Nachfolger war Rudolf Niemczyk, der aus Riegersdorf bei Bielitz stammte, an der Evangelischen Lehrerbildungsanstalt in Bielitz die Matura (l. Lehrerprüfung) ablegte und sich schnell in die neue Umgebung einlebte.
Alle finanziellen Leistungen, die seit der Wiedereröffnung der Schule den Leuten Kummer bereiteten, bestanden seit dem l. September 1924 nicht mehr. Der Verband deutscher Katholiken (VdK) in Kattowitz übernahm von diesem Zeitpunkt an die Betreuung der Schule. Dieser Retter kam in höchster Not, nachdem die polnische Schulbehörde zur gleichen Zeit für sechs (!) polnische Kinder eine öffentliche Schule mit polnischer Unterrichtssprache einrichtete. Ziel dieser Machenschaften war, Kinder von der deutschen Privatschule abzuwerben, um sie dann letzten Endes unter irgendeinem Vorwand schließen zu können. Die Eltern hielten aber zu ihrer Schule und zu ihrem neuen Lehrer, der schon in kurzer Zeit zum Wortführer der Deutschen wurde. Es gelang ihm auch, in vielen Abenden die Jugend für eine aktive Mitarbeit in der VdK-Ortsgruppe zu gewinnen und mit ihr mehrere Familienabende mit Laienspielen zu organisieren. Der Schulraum war stets zu klein, da jedes Mal auch viele Gäste aus den deutschen Nachbargemeinden kamen. Leider blieb Lehrer Niemczyk nur drei Jahre an der hiesigen Schule, er wurde nach Kontrowers-Isidorowka versetzt. Von dort kam im Austausch Rudolf Voise, er war nur eineinhalb Jahre im Ort und übernahm danach die zweite Stelle an der Roseggerschule in Mariahilf. Nachfolgerin sollte Wilhelmine Krawcow, geb. Langenfeld, aus Königsau Kreis Drohobycz, stammend, sein, die aber nur einige Wochen an der Schule unterrichtete. Am 2. März 1928 verließ sie die Ortschaft, beendete ihr Dienstverhältnis mit dem VdK, trat in den Staatsdienst und übernahm die öffentliche Schule in Flehberg bei Kolomea. Die Leute waren von dem Vorgehen ihrer Lehrerin recht unangenehm überrascht und über den Verrat an der deutschen Sache sehr empört. Die Eltern weinten der Abtrünnigen keine Träne nach, im Gegenteil, sie freuten sich, daß die VdK-Leitung in Mariahilf sofort den Wanderlehrer Leopold Jilek nach Drösseldorf schickte. Der hagere Schulmann widmete neben seinen dienstlichen Verpflichtungen einen großen Teil seiner Freizeit der Jugendarbeit. Charakteristisch für seine Tätigkeit kann der Bericht des Herrn Harro Canis angesehen werden (gekürzt), in dem er dem Ostdeutschen Volksblatt, Lemberg, folgendes mitteilte: ,,Am Abend fuhr ich wieder in Wola(= Drösseldorf) ein, als gerade der "deutsche" Abend begann. In der kleinen Schule standen Kopf an Kopf die Ortseinwohner und Freunde aus der Umgegend. Die mit den Schulkindern und der Jugend einstudierten Märchen und Lustspiele gefielen allen Anwesenden sehr gut. Die bekannte Ortskapelle ließ in den Pausen fröhliche Weisen erklingen. Hier wie in Felizienthal zeigte es sich, daß die Egerländer ein sehr musikalisches Völkchen sind und besonderen Wert auf Tonreinheit legen. Wie musikalisch die Jugend ist, beweisen die Gesangsvorträge. Zwei- und dreistimmig erklangen aus zwanzig Kehlen viele Volkslieder. Herr Lehrer Jilek hat mit dem Einüben dieser Chöre eine Glanzleistung vollbracht. In den knappen vier Monaten seiner Tätigkeit eine solche Fülle von unbekannten Liedern so sauber den einfachen Jugendlichen beizubringen, das verdient die wärmste Anerkennung. Bis in die Morgenstunden erklangen danach die flotten Tanzmelodien der unermüdlichen Kapelle. In Wola wird man noch lange und gern an das schöne Fest denken und der Berichterstatter auch."
Lehrer Jilek erfüllte gewissenhaft seinen Dienst, leider durfte er wegen seiner tschechischen Staatsbürgerschaft nicht weiter im Schuldienst beschäftigt werden. Nach ihm kam wieder Rudolf Voise zurück, schied aber nach einem Jahr gänzlich aus dem Schuldienst des VdK aus. Über seinen weiteren Lebensweg konnte nichts ermittelt werden. Damals besuchten 34 Kinder die Schule, in den 32 Gehöften lebten 188 Personen, viele Männer mußten als Waldarbeiter oder Tagelöhner einem Nebenverdienst nachgehen.
Nachfolger von Rudolf Voise war Lehrer Eduard Koppe (1929/30), der aus Ernsdorf, Kreis Bobrka, stammte, das Evangelische Lehrerseminar in Bielitz absolvierte und 1928 die Matura (l. Lehrerprüfung) bestand. Aus der ersten Zeit seiner Tätigkeit konnten keine Unterlagen aufgefunden werden. Erst aus einem Bericht der Ortsgruppe des VdK für 1931 konnte entnommen werden, daß Lehrer Koppe zwei Familienabende und zwanzig Liederabende veranstaltete, die Mitgliederzahl auf 51 sank, ein Zeichen für einen gewissen Niedergang. Leider stand die Tätigkeit des Lehrers Koppe für die Schule und die ganze Ortschaft unter einem schlechten Stern. Durch ein beginnendes Nervenleiden trat in seinen Anschauungen eine Wende ein, er sah und beurteilte alle politischen und gesellschaftlichen Ereignisse und Begebenheiten anders als die Mehrheit der Einwohner und die Vertreter der deutschen Organisation. In seinen Augen waren alle seine Gegner und Feinde; so griff er den VdK, den ersten Vorsitzenden Jakob Reinpold, die Wanderlehrer und das Volksblatt an. Dem sicherlich sehr neutralen Heimatblatt warf er eine ,,antikatholische" Einstellung vor. Die unberechtigten Vorwürfe blieben leider keine interne deutsche Angelegenheit, sie drangen bald in die Amtsstuben der polnischen Behörden, die nun glaubten, genügend belastendes Material zu einem Vorgehen gegen die Deutschen der ganzen Sprachinsel Machlinitz, gegen den VdK und seine Lehrer zu besitzen.
Da Lehrer Koppe wegen seines fortschreitenden Leidens seinen Schuldienst nicht mehr ausüben konnte, sollte Lehrer Siegmund Kolmer aus Flehberg im Frühjahr 1934 die Vertretung übernehmen. Die polnische Schulbehörde witterte nun eine günstige Gelegenheit, die deutsche Schule vielleicht schließen und an ihrer Stelle eine polnische eröffnen zu können. Deshalb zögerte sie mit der Erteilung der Unterrichtserlaubnis solange, bis die politische Behörde (Landratsamt) das so genannte Loyalitätszeugnis ohne Angabe von Gründen verweigerte. Durch diese Intrigen der beiden Stellen hatten die Kinder schon fast ein Jahr keinen Unterricht.
Auch dem vorgeschlagenen Nachfolger Hans Mauer, der seine l. Prüfung am staatlichen (polnischen) Lehrerseminar in Sambor ablegte, wurde die Bestätigung lange nicht erteilt. Erst nach langen und schwierigen Verhandlungen wurde das Ziel erreicht, die Schule konnte wieder im Dezember 1935 eröffnet werden. Ein moralisches Verbrechen war es trotzdem, wenn die polnischen Behörden den deutschen Kindern eine geregelte Bildung und Erziehung aus chauvinistischen Gründen vorenthielten, eine Einstellung, die in jeder Hinsicht der Staatsverfassung widersprach.
Der bedauernswerte Lehrer Eduard Koppe konnte zuletzt für sein unheilvolles Verhalten nicht mehr verantwortlich gemacht werden. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich so stark, daß er seinen Dienst beim VdK aufgeben mußte.
Die Leute waren froh, daß die Kinder die Schule wieder regelmäßig besuchen konnten, Ruhe und Frieden in die Ortschaft einkehrten und der Lehrer allen durch Rat und Tat zur Seite stand. Auch im kulturellen Leben ging es wieder aufwärts. Nach den vielen Sorgen wollte man wieder einmal richtig Fasching mit Schultanz feiern, bei dem auch der Lehrer mit seiner Frau mitmachten. Die an sich zeitlich bedingte und ganz normale Veranstaltung gestaltete sich diesmal unter den Klängen der Kapelle Langenberger zu einem großen Volksfest, zu einer Kundgebung für die deutsche Gemeinschaft und völkische Treue. Alle Gedanken drehten sich um die Erhaltung der Schule.
Lehrer Mauer bereitete auch in regelmäßigen Abständen besinnliche Feiern vor, so die zur Erinnerung an den heiligen Bonifatius (Juni 1936), des Apostels der Deutschen oder die zu Weihnachten des gleichen Jahres, während der auf dem Christbaum auch die "blaue Kerze", das Symbol der Schicksalsverbundenheit aller Deutschen auf einem Vorderzweig brannte. Beim Singen der vertrauten Lieder und beim Vortragen der entsprechenden Gedichte leuchteten die Augen der Kinder, besonders aber als der Weihnachtsmann angekündigt wurde und allen ein Päckchen überreichte.

Lehrer Eduard Koppe mit seinen Schulkindern, 1932
Überhaupt nahm die kulturelle Arbeit innerhalb der VdK-Ortsgruppe einen neuen Aufschwung, wobei die Jugend den Hauptanteil für sich in Anspruch nehmen konnte. Bei Lied, Spiel und Vorträgen verbrachte sie unter der Leitung des Lehrers Mauer manchen Abend, vor allem in den Wintermonaten und bereitete dabei alle Veranstaltungen vor. Diese Zusammenkünfte waren für die Jugend einzige Möglichkeit, sich außer Haus und Hof auch anderen Aufgaben widmen zu können. Dabei machte sich das Fehlen eines geeigneten Versammlungsraumes recht unangenehm bemerkbar. Deshalb faßten die Deutschen den Beschluß, ein ,,Deutsches Haus" zu bauen. Der Reingewinn aus den Einnahmen aller Veranstaltungen sollte in einen einzurichtenden Baufond fließen, außerdem wollte man sich um Spenden an alle deutschen Organisationen und an die ganze Volksgruppe wenden. Die Ausführung dieses Vorhabens wurde um so dringlicher, nachdem die Schulbehörde die Durchführung aller Veranstaltungen (1937) in der Schule verboten hatte. Der Hintergrund dieser unverständlichen Maßnahme war wohl der, der dem VdK angeschlossenen Jugend die Tätigkeit zu erschweren. Mit großer Zähigkeit, der eigenen Selbsthilfe und der Unterstützung durch den VdK in Mariahilf gelang es, einen passenden Platz zu kaufen und den Rohbau zu errichten. Mitten in der so wichtigen Arbeit wurde Lehrer Mauer, der beim Bau des ,,Deutschen Hauses" organisatorisch federführend war, an die Roseggerschule in Mariahilf (1938) versetzt. Trotzdem gelang es, das Ziel zu erreichen, und im Herbst 1939 sollte die Einweihung stattfinden.
Für Hans Mauer kam Frau Hilde Härtung, geb. Massinger, die das Katholische Lehrerinnenseminar in Bielitz besuchte, im Juni 1930 die Matura (l. Lehrerprüfung) ablegte und in den letzten Jahren Schulleiterin in Mariahilf war. Die Versetzung nach Drösseldorf war für sie ein großer Nachteil, ihr Ehemann mußte aus beruflichen Gründen in Kolomea/Baginsberg zurückbleiben. Es gehörte schon viel Idealismus dazu, eine Fanlilientrennung in Kauf zu nehmen, um wegen des bereits eingetretenen Lehrermangels die Stelle zu besetzen. Auch sie opferte einen Teil ihrer Freizeit, nahm sich der schulentlassenen Mädchen an und richtete einen Abendlehrgang für weibliche Handarbeit ein. Frau Härtung paßte sich schnell der neuen Umgebung an, fand Kontakt zu allen Leuten und führte die Schule zur Zufriedenheit aller Eltern bis zu den Sommerferien 1939. Fröhlich verließen die Kinder mit den Zeugnissen in der Hand den Klassenraum, nachdenklich dagegen die Lehrerin. In Anbetracht der sich verschärfenden politischen Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Polen zog es Frau Härtung vor, sich über Danzig ins Reich abzusetzen. Der am l. September begonnene Krieg und der baldige Einmarsch der Sowjets brachten der kleinen Schule in der mit wenig irdischen Gütern gesegneten Siedlung für immer ein Ende. Angaben nach der Reinpold'schen Erhebung von 1934:
Einwohner: 204 Deutsche, 49 Polen, 7 Ukrainer und 2 Juden
Schule: einklassig, deutsche Unterrichtssprache, deutscher Religionsunterricht, 42 deutsche und 2 ukrainische Schüler
Kirche: Pfarrgemeinde Machlinitz, Gesang und Predigt deutsch
Berufe der Deutschen: 14 Landwirte, 24 Häusler, davon viele Zimmerleute, Waldarbeiter und Hilfsmaurer, l Handwerker und l geistiger Beruf (Lehrer)
Besitz der Deutschen: 93 Joch, 37 Wohnhäuser, 22 Wirtschaftsgebäude
So hatten sich insgesamt in einem Zeitraum von 70 Jahren über 46 Familien mit insgesamt 203 Einwohnern eine neue Existenz geschaffen, die sie 1939/49 aufgeben mußten.