Anmerkungen zur NS-Ansiedlungspolitik im "Warthegau" 1940/1944


Umsiedlung

Der Hitler-Stalin-Pakt, der ausgebrochene Polenkrieg und das Vorrücken der sowjetischen
Armee in die baltischen Gebiete, nach Ost-Polen und in die östlichen rumänischen Gebiete
hatte das Ende der Existenz aller dort lebenden ost- und südosteuropäischen deutschen
Volksgruppen zur Folge. Diese Ergebnisse führten zu deren Umsiedlung "heim ins Reich", wobei
die Zahl der von November 1939 bis März 1941 aus den von der Sowjetunion nach
Kriegsbeginn einverleibten Gebieten Lettland, Estland, Litauen, Ostgalizien, Wolhynien, dem
Narewgebiet, Bessarabien, Bukowina und Dobrudscha umgesiedelten Deutschen etwa
390.000 Personen betrug, darunter rund 55.000 aus Ostgalizien.

Ohne Frage bestand damals ein Zusammenhang zwischen dem Umsiedlungs- und
Ansiedlungsgeschehen auf der einen und der politischen Situation in Deutschland mit seinen
ideologischen Vorstellungen auf der anderen Seite, also eine Verflechtung der vom Reich
durchgeführten Umsiedlung mit der nationalsozialistischen Siedlungsplanung in den neu
eroberten und dem Reich angeschlossenen westpolnischen Gebieten, für die das Reich neue
deutsche Siedler benötigte. Aber nicht deswegen ließen sich die deutschen Minderheiten aus
dem Ostraum umsiedeln. Gründe waren neben der Bedrohung durch die sowjetische Be-
satzungsmacht der wirtschaftliche und kulturelle Niedergang in den letzten Jahrzehnten, den
alle Deutschen in den osteuropäischen Siedlungsgebieten als sorgenvoll und bedrückend
empfanden sowie der auf sie von den Staatsnationen zunehmend ausgeübte
Assimilierungsdruck.

Es war die Verschlechterung der Lebensbedingungen, die diese
Auslandsdeutschen bereit gemacht hatte, dem Umsiedlungsangebot des Reiches zu folgen und
- wie sie glaubten - "heim ins Reich" zurückzukehren. Was sie damals nicht wussten, war, dass
ihnen das Schicksal die erhoffte neue Heimat und eine gesicherte, glückliche Zukunft nicht
schenken sollte, dass sie mit der Umsiedlung "aus dem Regen in die Traufe" kamen - in die
völkische Auseinandersetzungen mit den Polen und die Furie des aus den russischen Weiten
zurückbrandenden Krieges gerissen - und zuletzt selber Opfer des grausamen
Weltkrieges werden sollten, an dessen Ende sie um das nackte Überleben kämpfen,
einen hohen Blutzoll einrichten und schließlich froh sein mussten, im Millionenheer anderer
Flüchtlinge irgendwo ein Dach über den Kopf und ein Stück Brot in dem Deutschland zu
erhalten, das sie vor über 60 Jahren zur "Heimkehr ins Reich" bewogen hatte.